Sozialdemokraten:Vielleicht reißt die SPD sich ja mal zusammen

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In jüngster Zeit streiten die Sozialdemokraten öffentlich erstaunlich wenig. Haben die desaströsen Wahlergebnisse eine neue Geschlossenheit bewirkt - oder ist es gar Vernunft?

Kommentar von Christoph Hickmann

Über die Ostertage hat man wenig von der SPD gehört. Das mag erst mal kaum bemerkenswert klingen, schließlich ist es auch Sozialdemokraten gestattet, sich feiertäglicher Besinnlichkeit oder familiären Pflichten hinzugeben.

Tatsächlich aber ist es überaus erstaunlich, dass kein ernst zu nehmender Genosse der ersten, zweiten oder dritten Reihe die nachrichtenarmen Tage genutzt hat, um eine Grundsatzdebatte über die Zukunft des demokratischen Sozialismus vom Zaun zu brechen oder wenigstens ein bisschen am Parteichef herumzumäkeln. Gründe gäbe es ja genug.

SPD-Chef Sigmar Gabriel (Foto: AFP)

Vor gerade mal zwei Wochen hat die SPD im Südwesten wie im Osten der Republik Wahlergebnisse eingefahren, die für eine Spartenpartei erfreulich wären, für eine Noch-immer-irgendwie-Volkspartei aber indiskutabel sind. Hinzu kommt der schon in besseren Zeiten stets ausgeprägte sozialdemokratische Hang zur Selbstbeschädigung.

Und schließlich hat sich, was den Parteivorsitzenden angeht, ohnehin einiger Frust angestaut, den man über Ostern unter maximaler medialer Beachtung hätte loswerden können. Stattdessen ließen sich bereits vor den Feiertagen diverse Spitzengenossen mit Lobpreisungen für Sigmar Gabriel zitieren. Was ist da los?

In der SPD ist derzeit, einzelne Akteure ausgenommen, eine große Heuchelei im Gang. Die neue Geschlossenheit samt Treueschwüren für den Vorsitzenden speist sich ja nicht aus der plötzlich gewonnenen Erkenntnis, dass die Ausgangslage eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl eigentlich doch ganz passabel wäre. Stattdessen haben alle in der Riege hinter Gabriel endgültig kapiert, was passiert wäre, wenn der Chef vor zwei Wochen hingeworfen hätte.

Zumindest derzeit muß Gabriel nicht überall Verrrat vermuten

Dann hätte jemand anders in die Verantwortung gemusst - nach der in einer 25-Prozent-Partei naturgemäß keiner derjenigen drängt, die einerseits dafür infrage kämen, andererseits aber auch nach der Bundestagswahl 2017 noch jung genug wären, beispielsweise Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz.

Außerdem hat Hannelore Kraft, die als Vorsitzende des größten und mächtigsten SPD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen jederzeit eine parteiinterne Revolte anzetteln könnte, von ihrer Kollegin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz gelernt, dass man trotz mieser bundespolitischer Ausgangslage Wahlen gewinnen kann. Man muss halt persönlich überzeugen. Statt auf innerparteiliche Machtspiele dürfte Kraft sich nun bis zur Landtagswahl in gut einem Jahr darauf konzentrieren, es der Wahlsiegerin Dreyer gleichzutun.

Befriedet ist die SPD also nicht, sie hat sich für den Moment nur selbst diszipliniert. Trotzdem liegt darin eine Chance. Womöglich war der Abgrund, in den die Parteispitze vor zwei Wochen geblickt hat, diesmal tief genug, um etwas länger andauernde Geschlossenheit entstehen zu lassen.

Vielleicht wird sogar der zum Aktionismus neigende Vorsitzende ruhiger, wenn er nicht mehr überall Verrat vermuten muss. Und möglicherweise entsteht aus alldem noch eine Zweckgemeinschaft, mit der sich ein Wahlkampf bestreiten lässt.

Die Ausgangslage ist so gut wie seit Jahren nicht

Deshalb wird die SPD nicht gleich die Wahl gewinnen und Gabriel nicht gleich Bundeskanzler. Aber wenn es den Sozialdemokraten nicht gelingt, sich für längere Zeit zusammenzureißen, ist jenseits der 25 Prozent Luft nach unten. Dabei ist die Ausgangslage aus ihrer Sicht zumindest in einem Punkt so gut wie seit Jahren nicht.

Angela Merkel ist nicht mehr die unangefochtene Kanzlerin, die eine monolithisch geschlossene Partei hinter sich hat. Stattdessen zerlegen sich CDU und CSU seit Monaten in einer Art und Weise, die selbst kampferprobten Sozialdemokraten den Mund offen stehen lässt. Wenn die Genossen schlau sind, schauen sie sich das in aller Ruhe an, so lang es geht. Und halten selbst schön weiter still, ausnahmsweise.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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