Singapur:Skepsis rund um den Holzglobus

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Zuhören oder aufs Handy schauen: Australiens Verteidigungsministerin Marise Payne (links), der chinesische General He Lei und Kanadas Verteidigungsminister Harjit Sajjan während der Rede von James Mattis in Singapur. (Foto: Edgar Su/Reuters)

Auf der Shangri-La-Konferenz in Singapur dreht sich fast alles um das baldige Gipfeltreffen zu Nordkorea. Die USA stellen Bedingungen - und auch andere sind misstrauisch.

Von Arne Perras, Singapur

Draußen ist die Welt noch in Ordnung. Vor dem Eingang zum Shangri-La-Hotel prangt eine große, gemaserte Holzkugel, die den Globus symbolisiert; sie ist mit weichem Moos und bunten Orchideen bewachsen, eine blühende Welt, die Ruhe und Harmonie verströmt. Drinnen ist es anders. Dort tagt der Shangri-La-Dialog, Singapurs Sicherheitskonferenz. Verteidigungsminister aus aller Welt diskutieren über nukleare Bedrohungen, Terror und maritime Spannungen, die sich in unmittelbarer Nähe des Stadtstaats, im Südchinesischen Meer, aufgestaut haben.

Und natürlich schwebt über allem der geplante Nordkorea-Gipfel am 12. Juni zwischen Diktator Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump, für den sich Singapur als Gastgeber angeboten hat. Und von dem nicht einmal klar ist, ob er ein Erfolg wird. US-Verteidigungsminister James Mattis macht in Singapur jedenfalls deutlich, dass die wirtschaftlichen Sanktionen nicht ohne Weiteres aufgehoben würden. "Nordkorea wird erst Erleichterung bekommen, wenn es überprüfbare und unumkehrbare Schritte zur Denuklearisierung unternimmt." Er redet von einer "holprigen Strecke, bestenfalls".

Immerhin findet der Gipfel statt. Singapurs Regierung trägt die Wankelmütigkeit, mit der Trump das Treffen angesetzt, dann abrupt abgesagt und doch wieder bestätigt hat, mit Fassung. Stoisch arbeitet sie daran, eine gute Bühne zu bieten für das diplomatische Großereignis des Jahres. Beim Shangri-La Dialog testet Singapur schon mal die Sicherheitsmaschinerie, die für das Treffen zwischen dem Nordkoreaner und dem Amerikaner gebraucht wird. Jedes Jahr gibt es diesen "Shangri-La-Dialog", er ist schon Routine. Nur dass dieses Mal in Singapur viel mehr Polizeitruppen sichtbar sind. Es gibt kaum eine Ecke, in der nicht blau uniformierte Männer die Umgebung kontrollieren. Es ist eine logistische Generalprobe, mit der Singapur demonstriert, dass der Stadtstaat bereit ist.

Wo sich Trump und Kim genau treffen werden und wo sie jeweils logieren, blieb an diesem Wochenende aber noch immer ein wohl gehütetes Geheimnis. Zu den heißen Kandidaten zählten bislang jenes Luxushotel Shangri-La, daneben aber auch die Residenz des singapurischen Staatspräsidenten, Istana genannt, sowie das Edelressort Capella auf der Vergnügungsinsel Sentosa, die durch eine schmale Brücke und eine Seilbahn mit der Hauptinsel Singapur verbunden ist.

Im Shangri-La sind sie es gewohnt, dass sich Ballsäle, Suiten und Konferenzräume in eine Hochsicherheitszone mit Sicherheitsschranken und Metalldetektoren verwandeln, wie an diesem Wochenende. Die größte Aufmerksamkeit gilt dem amerikanischen Verteidigungsminister Mattis, der am Samstagmorgen die Bühne im "Island Ballroom" betritt. Er redet sehr sparsam über das große Thema in Asien, was Diplomaten im Saal nicht wirklich überrascht. Es sind jetzt nur noch neun Tage bis zum angesetzten Treffen. "Ich würde kein Wort hier verlieren, wenn ich nächste Woche mit Kim verhandeln müsste", sagte ein ehemaliger Staatssekretär eines großen asiatischen Landes am Rande der Konferenz.

Mattis redet im Ballsaal nur spärlich über Nordkorea, sondern auch über den Streit mit China

Mattis spricht im "Island Ballroom", einem Saal mit schweren Holztüren, über ihm schweben Kristalllüster, hinter ihm leuchtet eine meerblaue Wand, die ins Bild zu passen scheint. Mattis jedenfalls konzentriert sich zunächst bei seiner Rede auf die maritimen Spannungen im Südchinesischen Meer und er hält sich mit Kritik an Peking nicht zurück. Entgegen seiner Versprechen militarisiere China das Meeresgebiet, in dem sich ein halbes Dutzend Staaten um Inseln, Riffe und Rohstoffe streiten. Laut Mattis dienen chinesische Waffen auf künstlichen Inseln dazu, die Nachbarn einzuschüchtern. Der Amerikaner droht mit Konsequenzen, falls das weitergehe, sagt aber nicht, was das genau heißt.

Später weist der chinesische General He Lei die Vorwürfe des Amerikaners eher verärgert zurück, redet von nötiger "nationaler Verteidigung" und pocht darauf, dass man auf eigenem Staatsgebiet sehr wohl Waffen stationieren dürfe. Peking ignoriert einen internationalen Schiedsspruch, der Chinas Ansprüche auf das Meer weitgehend für nichtig erklärt hat. Die Großmacht hat mit seinen aufgeschütteten Inseln Fakten geschaffen, die alle Nachbarn irritieren. Der Streit hängt wie eine dicke dunkle Wolke über der Region, ohne dass sie irgendjemand vertreiben könnte.

Ein symbolisches Zeichen zumindest haben die Amerikaner gesetzt. Sie luden China von multinationalen Militärübungen vor Hawaii aus, die noch dieses Jahr geplant sind. Am Rande des Shangri-La-Treffens hieß es, dass die US-Flotte an Plänen arbeite, seine Patrouillen im Südchinesischen Meer auszuweiten, um als Ordnungsmacht freie Seewege für alle Staaten einzufordern, große und kleine.

Und Nordkorea? Mattis will dem Kim-Trump-Gipfeltreffen natürlich nicht vorgreifen, aber er kann das Thema im Shangri-La auch nicht ganz umschiffen. Ziel der Anstrengungen sei die "komplette, verifizierbare und unumkehrbare Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel", bekräftigt er. Die Frage der dort stationierten amerikanischen Soldaten soll beim Gipfel in Singapur jedoch nicht zur Sprache kommen, macht Mattis an diesem Morgen ebenfalls deutlich.

Wenig Zuversicht im Saal, vielleicht sogar am wenigsten von allen, hat ein Mann, der auf dem Podium sitzt: Japans Verteidigungsminister Itsunori Onodera. Er hebt hervor, dass erst die harten ökonomischen Sanktionen zu Bewegung in Nordkorea geführt hätten. Und er hält es nicht für ratsam, Nordkorea schon allein für ein Gespräch zu belohnen.

Verdient Kim Jong-un also keinen Vertrauensvorschuss? Oder etwa doch? Diese Frage leuchtet auf, als der Verteidigungsminister Südkoreas, Song Young-moo, den "dramatischen Wandel" beschwört, der nun in Gang gekommen sei. Er wirbt für seine Sicht der Dinge: "Dass wir früher von Nordkorea getäuscht wurden, heißt nicht zwingend, dass wir künftig wieder getäuscht werden." Die Zeiten hätten sich geändert, glaubt Song. Er sagt, Nordkorea habe einen neuen Führer, der sich öffnen wolle. Würde man immerzu seine Motive in Zweifel ziehen, könne man nicht vorankommen.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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