Singapur:Dann doch lieber die U-Bahn

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In Singapur fließt der Verkehr, der Staat setzt seit Jahrzehnten auf strenge Regeln. (Foto: Stephen Morrison/dpa)

Im Gegensatz zu den meisten asiatischen Metropolen fließt in dem Stadtstaat der Verkehr. Das aber liegt nicht nur an der Pkw-Maut.

Von Arne Perras

In Singapur hat alles angefangen, kein an-derer Staat hat die Idee der Verkehrssteuerung per Maut so früh entdeckt. "Es waren vor allem ökonomische Motive, die in den 1970er Jahren ausschlaggebend waren", sagt der Verkehrsexperte Christopher Tan von der Straits Times. "Die Regierung hat damals erkannt, dass ständig verstopfte Straßen nur schlecht sein können fürs Geschäft." Während die Bürger in anderen asiatischen Städten oft im Dauerstau stecken, stockt der Verkehr in Singapur eher selten, was Besucher aus Jakarta, Manila oder Delhi immer wieder mit Staunen oder Neid zur Kenntnis nehmen.

Dass in Singapur fast alles fließt, hat mehrere Gründe, wie der Ingenieur Gopinath Menon erläutert. Der ältere Herr ist einer der Pioniere des Mautsystems, im Ruhestand blickt er auf das zurück, was der Stadtstaat im Verkehrsmanagement in fünf Jahrzehnten erreicht hat. Und er wirkt zufrieden. Denn alles in allem haben sich flexible Gebühren zur rechten Zeit an der richtigen Stelle als nützlich erwiesen. Das erkennen auch viele Experten an.

ERP heißt das Werkzeug, Electronic Road Pricing. Seit 1998 läuft alles elektronisch und derzeit bereitet der Staat eine GPS-gestützte Maut vor, die sich noch feiner als ERP justieren lässt; der Autofahrer zahlt dann an bestimmten Orten unterschiedlich viel, je nach Zeit und Streckenlänge.

"Wir wissen, dass es nötig ist, den Verkehr zu steuern, wir haben nicht genug Platz", sagt Gopal Veerabahu, der am späten Abend sein Taxi durch die Innenstadt steuert und auf einen der Torbögen zeigt, der an der Kreuzung die Straße überspannt. Das ist eine der vielen ERP-Stationen, die jedes Fahrzeug beim Vorbeifahren registriert und dann, über eine kleine Box im Auto, eine Gebühr einzieht.

In der Summe wird Autofahren zum Luxus

"In der Stoßzeit wird das auf den Highways schon teuer", sagt Veerabahu. Da können schnell zehn Euro zusammenkommen. "Ich merke das bei meinen Kunden, manche Strecken meiden sie zu bestimmten Zeiten. Dann nehmen sie doch lieber die U-Bahn." Nicht nur Taxis, alle Autos müssen ERP-Gebühren zahlen. Doch diese Stellschraube alleine würde wohl kaum ausreichen, um größere Staus zu vermeiden. Das gelingt nur, weil genügend Leute auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. In Singapur sind dazu viele Bürger schon deshalb gezwungen, weil sie sich eine Zulassung für ein Auto nicht leisten können. Der Staat hat die Menge der Fahrzeuge gedeckelt. Jede der begehrten Lizenzen gilt nur für zehn Jahre, dann kommt sie erneut auf den Markt und kann ersteigert werden. Die Preise schwanken, derzeit kostet das Papier etwa 30 000 Euro, hinzu kommen hohe Anschaffungspreise für die Autos selbst. In der Summe wird das Fahren eines Fahrzeugs in Singapur so zum Luxus.

Nicht alle Autofahrer, die sich das leisten können, überlegen, ob sie auf günstigere Alternativen ausweichen. Dennoch sei der Effekt steuernder Gebühren spürbar, sagt Menon. "Natürlich gibt es immer Leute, die um jeden Preis selber fahren." Aber viele andere achteten durchaus auf die Kosten. Zumal der öffentliche Nahverkehr so gut ausgebaut ist, dass jeder fast überall in U-Bahn oder Bus steigen kann, um von A nach B zu kommen. Die Regierung in Singapur hat das als Leitidee so formuliert: Privates Autofahren könne nicht die Mobilitätslösung für Städte der Zukunft sein, wie ein früherer Minister sagte. "Die flexible Maut ermuntert Leute, bei jeder Fahrt über Alternativen nachzudenken", sagt Menon, das habe er in den Jahren als Verkehrsplaner beobachtet. Nehme ich morgens besser die U-Bahn? "Solche Überlegungen spielen sich im Laufe der Zeit ein."

Auch bei den U-Bahnen, die sich in Stoßzeiten füllen, greift der Staat mit Anreizen steuernd ein. So fährt jeder morgens gratis zur Arbeit, wenn er sein Ziel vor 7.45 Uhr erreicht. "Das hat die Passagierzahlen zu Spitzenzeiten um bis zu sieben Prozent reduziert", sagt der Schweizer Ingenieur Alexander Erath von der ETH Zürich, der in Singapur über Mobilität forscht. "Das klingt nach wenig, doch tatsächlich macht sich das stark bemerkbar, gerade in Zeiten, wenn es eng wird."

Singapurs Regierung führt den Stadtstaat straff, eine Ablösung muss sie kaum fürchten. Es fällt ihr somit leichter, Entscheidungen treffen, die unpopulär sind, ein Beispiel sind die hohen Zulassungsgebühren für Autos. Der Staat bleibt bei dem Thema hart und er hat ein einfaches Argument auf seiner Seite, das kaum zu entkräften ist: Auf begrenztem Raum können eben nicht unbegrenzt viel Autos fahren, wenn Singapur den Verkehrsinfarkt vermeiden möchte. Dennoch hat auch die Metropole längst nicht alle Verkehrsprobleme gelöst. So hat sie sich nie um Radwege gekümmert. Jetzt, in einer zugebauten Stadt, dafür Platz zu schaffen, ist kompliziert. "In diesem Punkt leidet Singapur unter Versäumnissen, es hat sein Straßennetz einst so großzügig ausgebaut, wie man es aus Amerika kennt", sagt Erath. Für Autos. Nun muss die Regierung wieder umbauen lassen, damit die Bürger das Fahrrad als Alternative entdecken können.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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