Iran:Bühne für Irans Opposition

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Demonstrierende am Rande der Sicherheitskonferenz in München schwenken historische Iran-Flaggen und Fotos von Reza Pahlavi, dem Sohn des letzten Schah. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Wegen der brutalen Niederschlagung der Proteste war zur Sicherheitskonferenz keine offizielle Delegation aus Teheran eingeladen worden. Reden durften andere. Der Westen registriert besorgt, wie das Regime sein Atomprogramm ausbaut

Von Paul-Anton Krüger, München

Zu den Gepflogenheiten der Münchner Sicherheitskonferenz zählte lange Jahre ein Auftritt des iranischen Außenministers. Je nachdem, wie konservativ der war, verhängte die Delegation in der Suite im Bayerischen Hof schon mal die Bilder an der Wand, wenn darauf Frauen dargestellt waren. Unvergessen ist, wie 2018 der inzwischen wieder regierende israelische Premier Benjamin Netanjahu dem damaligen Chefdiplomaten der Islamischen Republik, Mohammad Dschawad Sarif, ein Trümmerteil einer abgeschossenen iranischen Drohne entgegenhielt.

Diesmal hatte sich der neue Leiter der Sicherheitskonferenz, Botschafter Christoph Heusgen, wegen der brutalen Niederschlagung der Proteste durch das Regime dagegen entschieden, eine offizielle Delegation aus Teheran einzuladen. Thema war Iran trotzdem auf verschiedene Weise.

So bot die Konferenz der iranischen Opposition eine Bühne. Reza Pahlavi, ältester Sohn des 1979 von der Islamischen Revolution gestürzten Schahs, und die in den USA lebenden Aktivistinnen Masih Alinejad und Nazanin Boniadi diskutierten mit US-Senator Bob Menendez und der EU-Parlamentarierin Hannah Neumann die Perspektiven für einen Regimewechsel. Die drei sind Teil einer Anfang Februar geschlossenen Allianz von insgesamt acht prominenten Vertretern der Exilopposition, zu denen auch noch Shirin Ebadi gehört, Menschenrechtsanwältin und Trägerin des Friedensnobelpreises.

Exil-Iraner Pahlavi fordert in München Mittel für Streikfonds und ungehinderte Internet-Kommunikation

Einig sind sie sich in ihrer Ablehnung der Islamischen Republik und dem Streben nach einer demokratischen Regierungsform in Iran. Dafür werben sie um internationale Unterstützung und bekräftigten in München die Forderung, die Revolutionsgarden, die militärische Eliteeinheit des Regimes, auch in der EU als Terrororganisation einzustufen und mit Sanktionen zu belegen - was weiter als unwahrscheinlich gilt, weil die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Pahlavi forderte, den Iranern ähnlich wie der Ukraine Mittel an die Hand zu geben, damit sie ungehindert per Internet kommunizieren können und Streikfonds einzurichten und entsprechende Ausnahmen bei den Sanktionen zu schaffen. Damit könnten die Menschen in Iran finanziell unterstützt werden, wenn sie aus Proteste gegen das Regime der Arbeit fernbleiben.

Dass mindestens Pahlavi unter Iranern eine äußerst umstrittene Figur ist, war für Heusgen offenbar kein Hinderungsgrund. Aus der Bundesregierung hieß es dazu, die Sicherheitskonferenz sei eine private Veranstaltung und man nehme keinen Einfluss darauf, wer dazu eingeladen werde.

Mit Sorge sehen westliche Diplomaten, dass Iran unter dem Hardliner-Präsidenten Ebrahim Raisi das Atomprogramm ausbaut

Weniger im Licht der Öffentlichkeit, politisch aber wohl bedeutsamer, berieten die Außenminister der USA, Frankreichs, Großbritanniens und die deutsche Ressortchefin Annalena Baerbock über den weiteren Umgang mit dem Regime. Lange galt die Devise, die Rückkehr zum Atomabkommen "steht nicht auf der Tagesordnung, ist aber auch nicht vom Tisch". Inzwischen stellt sich die Frage, ob diese Linie noch zu halten ist.

Mit Sorge sehen westliche Diplomaten, dass Iran unter dem Hardliner-Präsidenten Ebrahim Raisi das Atomprogramm weiter ausbaut - und daraus eine neue Großkrise im Nahen Osten und am Golf entstehen könnte, bis hin zu einer militärischen Konfrontation. Von einer "nuklearen Eskalation" und dem "Mangel an Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA)", ist in einer Erklärung die Rede, die das US-Außenministerium nach dem Treffen von Minister Tony Blinken mit seinen Kollegen veröffentlichte.

Iran hatte, ohne wie vorgeschrieben die IAEA zu informieren, technische Änderungen an Zentrifugen zur Urananreicherung in Fordow vorgenommen, einer Anlage, die in Iran tief in einem Tunnelsystem liegt, um sie vor möglichen Luftangriffen zu schützen. Derzeit reichert Iran sein Material mit bis zu 60 Prozent des spaltbaren Isotops Uran 235 an. Für den Bau von Atomwaffen sind 90 Prozent erforderlich. Am Sonntagabend berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, Inspektoren der IAEA hätten in Iran Uran mit einem Anreicherungsgrad von 84 Prozent gefunden. Sie versuchten nun herauszufinden, ob Iran das Material bewusst derart hoch angereichert hat oder ob dieses unbeabsichtigt etwa durch eine Ansammlung in dem Röhrensystem der Zentrifugen entstanden ist.

Sollte Iran den Schritt zur Produktion von waffenfähigem Uran gehen, und Debatten im Regime darüber gibt es, würde dies harte Reaktionen nach sich ziehen. Die Europäer würden den sogenannten Snapback-Mechanismus aus dem Abkommen aktivieren, der automatisch alle UN-Sanktionen wieder in Kraft setzt, die 2015 aufgehoben wurden. Zugleich hat Israel klargemacht, dass es die Produktion von waffenfähigem Uran als rote Linie betrachtet.

Westliche Geheimdienste sind sicher, dass Russland zivile Ziele in der Ukraine mit iranischem Fluggerät angreift

Eine Rückkehr zum Atomabkommen gilt derzeit als aussichtslos. Dazu müsste Teheran seine Kooperation mit der IAEA wieder aufnehmen. Zudem ist schwer vorstellbar, dass die USA und die Europäer einem Deal zustimmen, während Iran seine Unterstützung für Russland ausbaut und die brutale Unterdrückung der eigenen Bevölkerung fortsetzt. Als denkbar gilt westlichen Diplomaten allerdings eine sehr viel enger gefasste Vereinbarung, um eine nukleare Eskalation abzuwenden. Blinken warnte China, die USA würden chinesische Firmen mit Sanktionen belegen, die weiter große Mengen Öl aus Iran kaufen, die wichtigste Einnahmequelle des Regimes.

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In der Region verschärft sich der Schlagabtausch zwischen Israel und Iran. Am Sonntag machte Netanjahu Iran verantwortlich für einen Drohnenangriff im Persischen Golf auf einen Öltanker, der einer Firma des israelischen Milliardärs Eyal Ofer gehört. Bereits im November war vor der Küste Omans ein weiterer Tanker Ziel einer Drohnenattacke geworden. Netanjahu hatte auf Fragen nach einem Angriff auf eine Einrichtung des iranischen Militärs in Isfahan geantwortet, Israel ergreife alle denkbaren Möglichkeiten, um Irans militärische Fähigkeiten ins Visier zu nehmen.

Ziel der Attacke soll eine Drohnenfabrik gewesen sein. Iran bestreitet, Russland nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine derartige Fluggeräte geliefert zu haben, mit denen Russland systematisch die zivile Infrastruktur in der Ukraine angreift. Westliche Geheimdienste sind nach der Untersuchung von Wrackteilen aber sicher, dass sie aus Iran stammen. Von einer "sich vertiefenden beidseitigen Militärkooperation" sprechen die USA; sie soll auch Munitionslieferungen umfassen. Keine Belege gibt es dagegen bislang dafür, dass Iran auch ballistische Raketen liefert.

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