Sicherheit im Luftverkehr:Unbequeme Wahrheit

Lesezeit: 2 min

Die Bombenfunde in Luftfrachtladungen haben ein System lückenhafter Kontrollen offenbart. Doch mehr Überprüfungen kosten mehr Geld.

Jens Flottau

Eigentlich ist Giovanni Bisignani, Chef des Airline-Weltverbandes IATA, auch als eine Art Rumpelstilzchen bekannt geworden. Zur Freude der Delegierten schimpft er in der Regel auf jeden, der es den Fluggesellschaften schwermacht. Meist sind das Flughäfen, Behörden und ganz allgemein Regierungen. Wenn er dann laut "Basta" ruft, jubelt der Saal.

Sollten künftig alle Pakete durchsucht werden? Die Luftfahrtbranche sucht nach Wegen, die Sicherheitslücken bei der Fracht zu stopfen. (Foto: dapd)

Es ist also erstaunlich, wenn ausgerechnet der Branchen-Lautsprecher ganz leise ist. Am Dienstag eröffnete Giovanni Bisignani in Frankfurt eine Tagung zur Flugsicherheit und lobte ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit der Obama-Administration in Sachen Sicherheit. Überhaupt sei der Standard schon viel höher als vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001.

Das gilt aber wohl vor allem für den Passagierverkehr, die Fracht allerdings hat in der Debatte bislang keine große Rolle gespielt, zumal da es bis zur vergangenen Woche noch niemandem gelungen war, Bomben mit Expressdiensten zu verschicken. Plötzlich wird nun klar, dass es Risiken gibt in einem System lückenhafter Kontrollen. Die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière eingesetzte Task Force und andere Initiativen könnten genau das bringen, was die Industrie nicht will: mehr Kontrollen und höhere Kosten.

Doch auch Bisignani hat Mängel erkannt. So fordert er Röntgengeräte, die auch große Frachtpaletten sicher durchleuchten können und nicht nur kleine Päckchen. Bei reinen Cargo-Flugzeugen werden die einzelnen Stücke nämlich auf riesigen Paletten gebündelt, zum Schluss werden sie unter einem Netz fest verzurrt. Doch noch immer gibt es keine Geräte, die groß und genau genug für solche Berge an Waren sind. Bislang wird nur ein Teil der Fracht überhaupt kontrolliert. "Wir müssen Druck auf die Technologieanbieter ausüben, damit die sich mehr beeilen", sagt der IATA-Chef.

Das würde zwar Kontrollen erleichtern, ohne jedes Mal die großen Bündel zerlegen zu müssen. Dennoch wäre es den Fluggesellschaften lieber, auch künftig nicht gezwungen zu werden, die gesamte Fracht zu durchleuchten. Sie wollen sich lieber auf geheimdienstliche Aussagen verlassen, welche Flüge oder Ziele besonders gefährdet sind und welche mit weniger strikten Regeln auskommen. Die Europäische Kommission hat bereits eine Regelung eingeführt, in der die Kontrollen bei Großkunden deutlich laxer sind, weil sie als sicher gelten. Sendungen von Privatpersonen müssen hingegen genauer überprüft werden.

Die Fluggesellschaften weltweit sind zudem gerade dabei, die Frachtdokumentation von Papier auf digital umzustellen. Dies, so IATA-Chef Bisignani, hat auch große Vorteile in Sachen Sicherheit. Denn Behörden könnten für jede einzelne Sendung einen schnellen elektronischen Zugriff auf alle Daten haben, für die heute noch etwa 15 DIN-A4-Seiten gebraucht werden. Darauf steht, wer was wann wohin verschickt hat.

Fast sechs Milliarden Dollar geben die Fluggesellschaften pro Jahr für Sicherheit im Frachtverkehr aus. Trotz allem glaubt Bisignani nicht, dass die Kosten noch weiter steigen werden. Darin zu bestärken scheinen ihn ausgerechnet Aussagen von John Pistole, Chef der mächtigen amerikanischen Transportation Security Administration (TSA). Künftige Maßnahmen müssten auf Geheimdienst-Informationen basieren und auf weltweiter Zusammenarbeit. "Die Bewegungsfreiheit zu erhalten, ist der Kern unserer Mission", so Pistole. Doch was genau das nun heißt, ist die Frage. Denn nirgendwo sonst wird die Fracht so gründlich durchleuchtet wie in den USA.

© SZ vom 03.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: