Cyber-Sicherheit:Der Nerd, dein Freund und Helfer

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Alle brauchen jetzt Informatiker: die Kripo, der Verfassungsschutz, das Militär. ITler sind gefragte Leute, die manches besser können als traditionelle Ermittler. Aber ihr Einsatz ist für den Rechtsstaat nicht ohne Risiken.

Von Ronen Steinke

Die Fernsehserie "Mad Men" erzählt sehr hübsch vom Leben einer Werbeagentur im New York der 1960erJahre, zu einer Zeit also, als das wichtigste Medium noch Zeitung hieß, danach kam lange nichts, und dann das Radio. Besonders hübsch ist eine Szene, in der ein junger Werber zu seinem Agenturchef geht und sagt: Ich denke, wir sollten eine Abteilung für Fernsehwerbung gründen. Der Chef grinst spöttisch über den neumodischen Quatsch, malt ein großes Kreuz in die Luft, wie der Papst beim Segnen der Massen, und antwortet: Hiermit ernenne ich dich zum Leiter unserer Fernsehabteilung. Es dauert nicht lange, und die Abteilung des so Belächelten ist zur größten der ganzen Firma herangewachsen. So schnell verschieben sich die Proportionen. Glücklich, wer das früh erkennt.

Etwas Ähnliches kann man derzeit in jenen staatlichen Institutionen beobachten, die sich der inneren und äußeren Sicherheit widmen. Es ist erst ein paar Jahre her, da waren Computerspezialisten dort so etwas wie Schattengestalten, die tonangebenden Juristen und Offiziere stellten sie nur als EDV-Klempner ein. Aber in kurzer Zeit sind aus Kellerkindern mit die wichtigsten Wertschöpfer geworden. Bei den Landeskriminalämtern zum Beispiel ist keine Ermittlung gegen Strukturen des organisierten Verbrechens mehr denkbar ohne hochspezialisierte Informatiker. Facebook war vor zehn Jahren ein Nischending, Whatsapp vor zwei Jahren fast unbekannt. Inzwischen ist die Anzahl der Kanäle, über die schon gewöhnliche Leute miteinander kommunizieren, unübersehbar geworden; von Kriminellen ganz zu schweigen. Beschatten geht nicht ohne IT-Experten.

Alle brauchen jetzt Informatiker: Kripo, Verfassungsschutz, Militär

Bei den Geheimdiensten haben sich die Verhältnisse schon länger umgekehrt: Die wichtigsten Spionage-Erfolge erzielen inzwischen Computer-Nerds, die ihre vier Wände nicht zu verlassen brauchen. Das, was die Amerikaner Signals Intelligence nennen, also das Auswerten von Datenströmen im Gegensatz zum Pflegen menschlicher Kontakte, ist nicht nur beim Bundesnachrichtendienst, sondern auch in praktisch jedem Landesamt für Verfassungsschutz zum Kerngeschäft herangewachsen. Das ist nicht unbedingt bedauerlich, denn das hergebrachte Spiel mit Agenten und Verrätern ist oft genug ein Fischen im Trüben mit schweren ethischen Problemen gewesen.

Und nun kommt der Kulturwandel auch bei der Bundeswehr an. Die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat ihre ITler gerade symbolisch aufgewertet zu "Cyber-Streitkräften". Vielleicht fällt es manchem altgedienten Panzerkommandeur noch schwer, die Computer-Nerds als Kameraden ernst zu nehmen. In fünf Jahren wird das schon anders sein, wenn die technische Durchdringung aller Lebensbereiche so weitergeht und die Verwundbarkeit für Online-Attacken entsprechend weiter zunimmt. Das alles bedeutet ein Verschwimmen von Grenzen. Eine Hackerattacke kann über so viele Umwege geleitet werden, dass ihr eigentlicher Urheber sich am Ende kaum mehr mit Gewissheit identifizieren lässt. Im Cyberspace bleiben die Angegriffenen immer ein wenig blind. Das scheint bislang der entscheidende Unterschied zu sein im Vergleich etwa zu herkömmlichen Kämpfen zwischen Staaten zu Land oder in der Luft. Wenn man nicht weiß, woher die Attacke kommt und was der Angreifer damit bezweckte, woher soll man dann wissen, welche staatliche Stelle für die Abwehr zuständig ist: die Ermittler der Kriminalpolizei? Die Spionage-Abwehr des Verfassungsschutzes? Die Flecktarn-Hacker des Militärs? Das verwischt die Trennung zwischen Behörden mit - aus wichtigem Grund - sehr unterschiedlichen Aufträgen und Befugnissen.

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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