Sicherheit bei der Bahn:Lücken im Revier

Lesezeit: 2 min

Die Zahl der Übergriffe auf Fahrgäste in Zügen und auf Bahnhöfen nimmt bundesweit zu. Gerade dort fehlen laut einem Prüfbericht jedoch oft Polizisten.

Klaus Ott

München, Hamburg, Berlin: Die Zahl der Übergriffe auf Fahrgäste in Zügen und auf Bahnhöfen nimmt bundesweit zu. Der bekannteste Fall ist der von Dominik Brunner, der an einer Münchner S-Bahnstation von zwei Jugendlichen zu Tode geprügelt wurde, als er sich schützend vor mitreisende Kinder stellte. Die Bundespolizei, die für Sicherheit bei der Bahn sorgen soll, kam wiederholt zu spät. Wie gefährlich Zugfahrten sind, fragen daher besorgte Fahrgäste.

Eine erschreckende Antwort liefert der Bundesrechnungshof (BRH) in einem Prüfbericht, der an das Bundesinnenministerium ging. Bei mehr als einem Viertel der 121 Reviere der Bundespolizei sind so wenige Beamte im Einsatz, dass "eine durchgängige Streifenbildung und Besetzung der Wache nicht sichergestellt werden kann". Streifengänge von Polizisten gelten als wirksamstes Mittel gegen Gewalt, und ausgerechnet da fehlt es an Personal. Abhilfe ist nicht in Sicht, trotz der Rüge des BRH.

Der Rechnungshof hat untersucht, wie die Bundespolizei ihre Aufgaben bei der Bahn wahrnimmt. Nun liegt das Ergebnis vor, zu dem sich weder Bundespolizei noch Innenministerium äußern wollten. In kleineren Revieren sind "nur im Ausnahmefall" so viele Beamte im Einsatz, dass "die Streifentätigkeit und eine dauerhafte Besetzung der Wache sichergestellt sind". Das ergaben Stichproben in Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz und in Siegburg bei Bonn, zwei Knotenpunkten der Bahn.

In Siegburg war das Revier im August und September 2009 bei einem Drittel der Früh-, Tag- und Spätschichten gänzlich unbesetzt. In Bad Kreuznach war das nicht viel besser. Dort kamen Probleme bei den Dienstplänen hinzu. Teilweise waren nachts, als gar keine Züge fuhren, mehr Beamte im Dienst als tagsüber. Die Bundespolizei müsse besser organisiert werden, fordert der Rechnungshof. Außer an Personal mangele es auch an Leitlinien und Konzepten für den Einsatz bei der Bahn, fanden die Prüfer heraus.

Für die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA sind diese Resultate keine Überraschung. Eine Umfrage hat ergeben, dass sich nicht nur Fahrgäste, sondern auch die Hälfte der Schaffner und Lokführer nicht sicher fühlt und Angst vor Übergriffen hat. Mit einem Bündel von Maßnahmen müsse für mehr Sicherheit gesorgt werden, verlangen die Gewerkschaften. Eine ihrer Forderungen: mehr Personal. Das ist auch ganz im Sinne der Deutschen Bahn (DB). Wichtig sei die "Präsenz von Sicherheitskräften" in den Zügen und Bahnhöfen, sagt ein DB-Sprecher. "Wir wollen das kontinuierlich steigern." Die Bahn hat 3500 eigene Leute im Einsatz. Doch das kann die Lücken bei der Bundespolizei nicht ausgleichen. Diese hat immerhin 33000 Polizeibeamte, die neben der Bahn auch die Flughäfen, die Grenzen, die Küsten und Bundesbehörden schützen sollen.

1800 Stellen seien unbesetzt, rügt die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Außerdem seien 1000 Beamte im Kosovo, in Afghanistan und anderswo im Ausland, ohne dass es im Inland einen Ausgleich gebe, sagt GdP-Vorstand Josef Scheuring. Darunter leide der tägliche Einsatz vor Ort, auch bei der Bahn. Dort könnten die Fahrgäste eher einen Gewalttäter antreffen als einen Polizisten, behauptet Scheuring, Chef der GdP-Sparte Bundespolizei. Er sagt, er habe Innenminister Thomas de Maizière (CDU) das alles vorgetragen, bisher aber keine Reaktion bekommen. Dem Rechnungshof muss de Maizière antworten.

© SZ vom 11.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: