Wahlen in der Schweiz:Der gesellschaftliche Wind hat gedreht

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Die Schweiz wird nach der Wahl grüner und linker, die konservative SVP hat die Quittung für ihre fantasielose Blockadehaltung bekommen. Und das ist gut so.

Kommentar von Isabel Pfaff, Bern

Der Rechtsrutsch der Schweiz ist Geschichte - zumindest ein bisschen. 2015 fuhr die rechtskonservative SVP noch ein Rekordergebnis von fast 30 Prozent ein. Dieses Wahljahr ist nun das Jahr der Grünen. Die Grüne und die Grünliberale Partei haben noch deutlicher zugelegt als die Umfragen vorhersagten, zusammen sind sie mit 21 Prozent Wähleranteil zweitstärkste Kraft im neuen Parlament. Die SVP hat dort zwar auch in der neuen Legislatur die meisten Sitze, trotzdem ist sie die große Verliererin dieser Wahl: Fast vier Prozentpunkte hat die Partei von Christoph Blocher verloren, so viel wie keine andere Schweizer Partei.

Das Ergebnis spiegelt die politischen Verschiebungen im Land wider: Das stärkste Thema der Rechten, die Migration, hat in diesem Wahlkampf keine Rolle gespielt. Zwar versuchte die SVP verzweifelt, Angst vor einer "10-Millionen-Schweiz" zu schüren, in der ständig Stau herrscht und niemand mehr Platz hat, doch diese Strategie ging nicht auf. Die Flüchtlingszahlen sind so niedrig wie lange nicht, auch sonst ist die Zuwanderung seit 2015 stark zurückgegangen.

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In der Europafrage stellte sich die SVP als die einzige Partei dar, die den EU-Beitritt des Landes verhindern wolle - eine ziemlich unglaubwürdige Behauptung, gibt es doch in der Schweiz so gut wie keine Politiker, die offen für einen Beitritt werben. Selbst die Verhandlungen um ein Rahmenabkommen mit der EU stocken - unter anderem, weil die Sozialdemokraten Vorbehalte haben.

Überraschend viel Wucht hatte die Frauenfrage im Wahljahr entwickelt. Unfaire Löhne, teure Kitas, kaum Vaterschaftsurlaub, noch dazu niedrige Frauenquoten im Parlament: Die Wut vieler Schweizerinnen und Schweizer auf diese konservativen Strukturen war in den vergangenen Monaten spürbar geworden und schlug sich auch in der Politik nieder. Die SVP, die zum einen wenig weibliche Abgeordnete vorweisen kann und zum anderen ein höchst konservatives Rollenverständnis vertritt, konnte in diesen Fragen nicht punkten. Auch in der konservativen Schweiz hat der gesellschaftliche Wind inzwischen gedreht.

Vor allem aber reagierte die Partei unsouverän auf die erstarkte Klimabewegung. Ihre Vertreter fielen mit Spott, Greta-Hass oder sogar Leugnung auf. Die liberale FDP, häufig eine politische Partnerin der SVP, hat noch im Wahlkampf versucht, eine konstruktive Antwort auf die Klimafrage zu finden. Die SVP dagegen blieb stur auf ihrer fantasielosen Blockadehaltung sitzen. Sie hat nun die Quittung dafür erhalten.

Auch wenn die SVP immer noch ein Viertel der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte, ist ihr steiler Aufstieg vorerst gestoppt, und das ist gut so. Schon 2015 war die Panik der vielen SVP-Wähler vor Zuwanderung, Abstieg und Fremdbestimmung nur schwer nachvollziehbar - 2019 wäre ein weiterer Zuwachs für die Schweizer Rechten völlig absurd erschienen. Nun wird die Schweiz ein ganzes Stück grüner und damit auch linker. Man wird sie politisch wieder besser verstehen.

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