Schweden:Scheitern wahrscheinlich

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Die Chancen, dass Ulf Kristersson Premier wird, stehen schlecht. Doch auch bei einer Niederlage wird er in die Geschichte eingehen: Als erster Kandidat, der nicht gewählt wurde. (Foto: REUTERS)

Schwedens Parlament wird den bürgerlichen Premier-Kandidaten Kristersson wohl ablehnen - seine Viererallianz ist uneins darüber, ob sich eine Minderheitsregierung von Rechtspopulisten tolerieren lassen darf.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Schweden steht vor den ereignisreichsten Tagen seit der Wahl vom 9. September, die dem Land bislang keine neue Regierung, dafür aber eine politische Blockade bescherte. Das schwedische Parlament stimmt an diesem Mittwoch über einen neuen Ministerpräsidenten ab. Es tritt der Führer der bürgerlichen Opposition an, der Parteichef der konservativen Moderaten, Ulf Kristersson. Seine Chancen stehen jedoch schlecht: Am Dienstag verkündete mit der Zentrumspartei schon die zweite Partei aus der Viererallianz um die Moderaten, gegen ihren bisherigen Partner stimmen zu wollen. Schwedens Presse nennt die mögliche Niederlage Kristerssons jetzt schon historisch: Es wäre das erste Mal in der Geschichte des modernen Schweden, dass der Reichstag einen Ministerpräsidenten-Kandidaten ablehnt.

Grund für den Stillstand ist der Ausgang der Wahl vor zwei Monaten, die weder dem linken noch dem bürgerlichen Block eine Mehrheit brachte. Dafür machten die Wähler die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) zur drittstärksten Kraft. Die SD erhielten 17,5 Prozent der Stimmen, damit könnten sie das Zünglein an der Waage spielen. Stärkste Kraft in Schweden sind weiter die bislang regierenden Sozialdemokraten, Ulf Kristerssons Moderate landeten bei der Wahl auf Platz zwei. Der rot-grüne Block um die Sozialdemokraten hält nur ein Mandat mehr als die bürgerliche Vier-Parteien-Allianz der Moderaten. Eine große Koalition schließen sowohl die Moderaten als auch die Sozialdemokraten bislang aus.

Nun sind Minderheitsregierungen in Schweden nichts Ungewöhnliches. Eine Regierung benötigt hier nicht unbedingt die Mehrheit der Stimmen im Reichstag, um bestätigt zu werden. Es genügt vielmehr, wenn sie nicht von der Mehrheit der Stimmen abgelehnt wird - das wären 175. Eine Minderheitsregierung des Moderaten Kristersson wäre diesmal allerdings nur denkbar, wenn sie von den Schwedendemokraten geduldet würde, die einst aus neonazistischen und rassistischen Gruppen hervorgingen. Und eben das führt nun zur Spaltung der bürgerlichen Vier-Parteien-Allianz: Liberale und Zentrumspartei wollen in keiner Regierung sitzen, die ihre Entstehung den SD verdankt. Man werde am Mittwoch mit Nein stimmen, "um den Schwedendemokraten Einfluss zu verwehren", sagte Annie Lööf, die Vorsitzende der Zentrumspartei am Dienstag im schwedischen Fernsehen. Ministerpräsidentenkandidat Ulf Kristersson sprach daraufhin auf Facebook von einem "schweren Tag für die Allianz". Die Zeitung Svenska Dagbladet nannte das Nein der Zentrumspartei den "Nagel im Sarg" für die Ambitionen Kristerssons.

Unklar ist, wie es im Falle eines Scheiterns Kristerssons weitergeht. Reichstagspräsident Andreas Norlén darf genau vier Mal einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten bestimmen. Scheitern alle vier Versuche, gibt es Neuwahlen. Carl Bildt, der konservative ehemalige schwedische Regierungschef und spätere Außenminister, nannte die Aussicht auf Neuwahlen auf Twitter gefährlich für die Demokratie: "Ich befürchte, viele Wähler würden sich abwenden von der Politik, es gäbe eine niedrige Wahlbeteiligung und das grundlegende parlamentarische Problem bliebe ungelöst." Zusätzlich kompliziert wird die Lage durch die Tatsache, dass die amtierende Regierung bis Donnerstag einen Haushalt vorlegen muss.

© SZ vom 14.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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