Schweden:Löfven sucht eine Lösung

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Schwedens geschäftsführender Premier führt zur Bildung einer Regierung Gespräche mit den Liberalen. Konservative befürworten dagegen eine "deutsche Lösung".

Von Gunnar Herrmann, München

Es sind harte Worte, mit denen Schwedens Zeitungskolumnisten derzeit über Politik schreiben. Von Regierungschaos ist die Rede, vom drohendem Betrug am Wähler, manch einer fürchtet gar Schaden für die Demokratie. Sechs Wochen ist es her, dass die Schweden ein neues Parlament gewählt haben. Und eine neue Regierung ist nicht in Sicht. So eine komplizierte Lage hat das Land seit Jahrzehnten nicht erlebt. Am Montag läuft erneut eine Frist zur Koalitionssuche ab. Alles spricht dafür, dass sie ergebnislos verstreichen wird.

Einigen konnte sich eine Parlamentsmehrheit aus konservativen und liberalen Parteien sowie den rechtsextremen Schwedendemokraten bislang nur darauf, dass sie nicht von einem Sozialdemokraten regiert werden wollen: Ministerpräsident Stefan Löfven wurde vor knapp einem Monat abgewählt. Mangels Nachfolger führt er die Geschäfte trotzdem weiter. Das Wahlergebnis vom 9. September hatte weder ihm noch seinem Herausforderer Ulf Kristersson von den konservativen Moderaten eine Mehrheit gebracht.

Kristersson hatte nach Lövfens Abwahl zunächst vom Parlamentspräsidenten den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, musste aber vor etwa einer Woche aufgeben. Nun soll Löfven versuchen, eine Mehrheit zu finden. Am Montag muss er dem Parlamentspräsidenten einen Zwischenbericht liefern. Die verzwickte Lage hat zwei Gründe: Die jahrzehntelange Polarisierung der schwedischen Politik in einen linken und einen liberal-konservativen Block erschwert erstens Koalitionen. Und zweitens hat der Wahlerfolg der rechtsextremen Schwedendemokraten - mit 17,5 Prozent drittstärkste Kraft - eine Mehrheit für einen der beiden Blöcke verhindert.

Wenn Löfven scheitert, kann der Parlamentspräsident weitere Sondierungen anordnen

Schwedens Politik war Jahrzehnte lang zweigeteilt. Die Sozialdemokraten führten den linken Block, dem auch die grüne Umweltpartei und die Linken angehören. Der "bürgerliche Block" ist seit 2004 ein festes Vierparteienbündnis aus Moderaten, konservativen Christdemokraten, Liberalen sowie der liberalen Zentrumspartei. Diese "Allianz für Schweden" tritt zu Wahlen mit gemeinsamem Versprechen an, Kristersson war ihr Spitzenkandidat. Um ihn zum Ministerpräsidenten zu wählen, bräuchte die Allianz die Stimmen der Schwedendemokraten - was Zentrum und Liberale ausgeschlossen haben. Denkbar wäre, dass die beiden liberalen Parteien Löfven unterstützen. Aber damit würden sie ihre Allianz zerstören und Wähler verprellen.

Löfven hat bereits geheime Gespräche mit allen Parteichefs geführt. Medien berichten, dass er bislang keine Unterstützung bei den liberalen Kräften bekommen konnte. Die wollen lieber, dass die Sozialdemokraten Kristersson als Ministerpräsidenten stützen. Diese Variante wird in Stockholm "deutsche Lösung" genannt - ein großes Bündnis zwischen Konservativen und Sozialdemokraten. Im schwedischen Reichstag gab es so etwas noch nie.

Löfven muss bis Freitag eine Lösung präsentieren. Wenn er scheitert, kann der Parlamentspräsident trotzdem weitere Sondierungen anordnen. Eine Frist für die Wahl des neuen Premiers gibt es nicht. Allerdings muss dem Parlament am 17. November ein Haushalt vorgelegt werden. Der könnte - erstmals in der Geschichte - von einer nicht gewählten Übergangsregierung kommen.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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