Schweden:Jailhouse Rap

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US-Musiker A$AP Rocky löst in Skandinavien eine Justizdebatte aus.

Von Kai Strittmatter

Wenn in Stockholm Staatsanwalt Daniel Suneson am Donnerstag bekannt gibt, ob er im Fall einer Prügelei auf den Straßen der schwedischen Hauptstadt vom 30. Juni Anklage erheben wird, dann wird die Weltpresse auf Schweden blicken. Was als Straßenrauferei begann, hat sich längst zu einem internationalen Zwischenfall ausgewachsen. Der Mann im Zentrum des Falles ist ein bekannter Musiker, der New Yorker Rapper A$AP Rocky. Er sitzt nun seit mehr als drei Wochen ohne Anklage in Untersuchungshaft, was auch jenseits der Rapszene von Justin Bieber bis Rod Stewart so ziemlich jeder berühmte Kollege für unverhältnismäßig hält und dies die etwas erschrockenen Schweden in empörten Tweets auch wissen lässt. Einzelne Musiker drohten mit einem Boykott Schwedens; der Justiz des Landes wird Rassismus vorgeworfen.

Am vergangenen Wochenende griff sogar US-Präsident Donald Trump zum Telefon, um dem "sehr talentierten" schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Lövfen anzubieten, er, Trump persönlich, bürge für den Verdächtigen und sei gerne bereit, im Gegenzug für die schnelle Freilassung die Kaution aus eigener Tasche zu bezahlen. Woraufhin Löfven Trump freundlich darauf hinwies, dass in seinem Land die Justiz "komplett unabhängig" von Weisungen der Regierung sei. Trump wiederum war vom Rapper Kanye West alarmiert worden, der seine Frau Kim Kardashian gebeten hatte, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner anzurufen.

Unabhängig von der Frage, wer nun an jenem 30. Juni als Erster zuschlug, hatte sich die Empörung in den USA auch deshalb zu leichter Hysterie gesteigert, da eine Petition auf Change.org und manche Medien Schweden als eine Art nahöstlichen Folterstaat zeichneten, in dem der 30-jährige Rakim Mayers (so der bürgerliche Name des Rappers) in Isolationshaft und Schmutz sitze und ihm Nahrung verweigert werde. Was wiederum die Schweden empörte und vom Rapper selbst dementiert wurde. Juristen gaben sich Mühe, das schwedische System zu erklären, das keine Kaution kennt und in dem etwa eine angenommene Fluchtgefahr genügt für eine vorläufige Festnahme.

Tatsächlich wird A$AP Rocky wohl nicht anders behandelt als andere ausländische Verdächtige. Und doch sorgte der Fall dafür, dass nun auch in Schweden selbst eine neue Debatte über dieses System der unbeschränkten Untersuchungshaft entbrannte. Ein System, das immer wieder auch von Organisationen wie dem Europarat oder den Vereinten Nationen kritisiert worden war: wegen der Intransparenz der richterlichen Entscheidungen, wegen der unbeschränkten Dauer der Untersuchungshaft und der Unverhältnismäßigkeit eines solchen Freiheitsentzuges für relativ geringe Vergehen. "Schließlich", schrieb die Zeitung Göteborgs-Posten, "haben diese Leute bis zu ihrer Verurteilung als unschuldig zu gelten." Schwedens Regierung hat zwar vor Jahren Kommissionen eingesetzt zur Reform des Systems, bis heute aber ist nichts geschehen. Sie müsse dringend handeln, mahnt Henrik Olsson Lilja, anfangs der Rechtsanwalt von A$AP Rocky. Es sei ironisch, "dass es die Inhaftierung eines amerikanischen Weltstars braucht, damit dieses wichtige Thema bei uns diskutiert wird".

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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