Schwarz-Gelb und die SPD:Noch keine Eiszeit in Sicht

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Bislang ist das von der SPD gemalte schwarz-gelbe Schreckgespenst eine Fiktion. Die Kanzlerin dreht den Sozialdemokraten eine Nase nach der anderen.

Susanne Höll

Im Bundestagswahlkampf hatten sich nicht wenige Sozialdemokraten an der Idee berauscht, ein schwarz-gelbes Schreckgespenst könne sie an der Regierungsmacht halten. Einer Koalition aus Union und FDP unterstellten sie alle möglichen Taten und Untaten: Der Kündigungsschutz werde gefleddert, ebenso die Mitbestimmung, neue Atomkraftwerke würden gebaut, in der Sozialpolitik werde eine Eiszeit einkehren.

Wahlplakat aus dem Bundestagswahlkampf: Die Bürger hatten weniger Angst vor Schwarz-Gelb als die SPD. (Foto: Foto: ddp)

Schon am 27.September ist diese Strategie nicht aufgegangen. Die Menschen, jedenfalls die, die zur Wahl gingen, hatten keine sonderliche Furcht vor Schwarz-Gelb. Schließlich votierten eine gute Million einstiger SPD-Wähler diesmal für CDU, CSU oder die Liberalen.

Und noch bevor die Sozialdemokraten auf den für sie äußerst unangenehmen Oppositionsbänken Platz nehmen können, dreht die Kanzlerin ihnen die nächste Nase und erhöht das Schonvermögen für Langzeitarbeitslose. Der SPD war sehr spät eingefallen, dieses vor allem symbolträchtige Thema überhaupt in ihr Wahlprogramm aufzunehmen. Und so, wie man die CDU-Vorsitzende kennt, wird sie der SPD weitere Nasen drehen.

In der Union denkt man darüber nach, welches deutsche Atomkraftwerk im nächsten Jahr für immer und ewig vom Netz genommen werden kann. Den Gewerkschaften versichert die neue und alte Regierungschefin Merkel höchstpersönlich, dass am Kündigungsschutz und der Mitbestimmung nichts geändert werden wird. Und während die SPD darüber streitet, mit wem sie in den nächsten Jahren im Bund und in den Ländern regieren mag, kann und soll, sichert sich Merkels Parteikollege Peter Müller im Saarland die Grünen als Partner für die erste Jamaika-Koalition in dem ersten, wenn auch kleinen, deutschen Flächenstaat. In einer unfreiwilligen Partnerschaft mit Oskar Lafontaine sowie sozialdemokratischen Funktionären drängen Merkel und ihre CDU die torkelnde Bundes-SPD an den linken Rand.

Verlockende einfache Antworten

Und die Sozialdemokraten? Die werden nicht nur in den nächsten Wochen, sondern viele Monate darüber diskutieren und streiten, wieso sie nach elf Regierungsjahren einen solchen Absturz erlebten. Und sie werden in Versuchung geraten, auf diese schwierige Frage eine einfache Antwort zu geben. Auf dem Parteitag im November wird die Forderung laut werden, sich so weit wie möglich von der als Ballast empfundenen Reformagenda 2010 zu trennen: Zurück zur Rente mit 65, und wieder länger Arbeitslosengeld für alle.

Mag sein, dass sich die SPD auf diese Weise selbst beruhigt. Sozialpolitisches Renommee gewinnt sie mit solch simplen Beschlüssen in der Opposition aber nicht zurück. Dazu braucht sie, auch wenn es zunächst paradox klingt, wirtschaftspolitischen Sachverstand und finanzpolitische Phantasie. Denn die neue Regierung wird dem Land spätestens vom kommenden Jahr an einiges zumuten müssen. Dann nämlich, wenn sie klipp und klar sagen muss, wer die Kosten für die bisherigen Bescherungen trägt.

© SZ vom 16.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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