Schuldenkrise:Patient Griechenland begehrt auf

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Demonstranten legen sich aus Protest gegen Sparmaßnamen der Regierung vor das griechische Parlament in Athen (Foto: REUTERS)

Die Regierung in Athen nimmt endlich mehr Geld ein, als sie ausgibt. Premier Samaras, heute zu Gast bei Kanzlerin Merkel, wünscht sich daher Erleichterung bei der Schuldentilgung. Diesmal könnte er auf offene Ohren stoßen.

Ein Kommentar von Christiane Schlötzer, Istanbul

Es gab eine Zeit, da ließen sich die Griechen von einem deutschen Helden inspirieren. Der hieß Otto Rehhagel und führte 2004 die hellenische Nationalelf zum Europameistertitel. Nun feiert Griechenland voller Überschwang wieder ein Fußball-Wunder, die Qualifikation für die WM in Brasilien - und dies ganz ohne Rehhakles. Der Vorgang hat Symbolkraft für das krisengeschüttelte Land. Wenn man schon auf einen deutschen Trainer verzichten kann, warum dann nicht auch auf die Troika, die Vertretung der internationalen Geldgeber Griechenlands, unter denen Deutschland den Ton angibt?

Die Regierung in Athen zeigt sich derzeit selbstbewusster als es die Krisenemissäre aus Brüssel und Berlin gewohnt sind. Der Grund für die neue Gelassenheit: Die Regierung nimmt endlich mehr Geld ein, als sie ausgibt. Im laufenden und im kommenden Jahr ist der Haushalt im Plus - allerdings nur, wenn man die Zinszahlungen herausrechnet. Da Griechenland seit einem ersten Schuldenschnitt im Jahr 2012 aber kaum noch private Kredite zu bedienen hat, fließen alle Zinsen an die Geldgeber aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds. Was schlicht bedeutet, dass künftige Hilfen für Griechenland wieder bei der EZB und den Regierungen in Europa landen werden.

Griechenland kann Reformerfolge vorweisen

Diese Aussicht macht es der Regierung in Athen noch schwerer als bisher, neue Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen zu begründen. Weil der Schuldenberg aber trotz allem weiter wächst, wird Premier Antonis Samaras an diesem Freitag in Berlin Kanzlerin Angela Merkel erneut seinen Wunsch nach Erleichterungen bei der Zinstilgung vortragen. Diesmal könnte Samaras auf offene Ohren stoßen. Griechenland kann durchaus Reformerfolge vorweisen, und die Troika darf feststellen, dass ihre extrem starke Medizin Wirkung zeigt. Das Haushaltsdefizit schrumpfte zwischen 2009 und 2012 von 15,6 auf 6,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist noch etwas entfernt von der Drei-Prozent-Vorgabe der Euro-Zone, aber dennoch eine beachtliche Konsolidierungsleistung.

Der Preis, den viele der elf Millionen Griechen dafür zahlen müssen, ist hoch. Rund eine Million Menschen verloren ihren Job, etwa 100.000 Unternehmen gingen in Konkurs. Die Sozialkassen sind leer, die Arbeitslosenrate ist mit 27 Prozent auf Rekordhöhe. Soziale Hilfen gibt es nur für ein Jahr, danach verlieren viele nicht nur jegliche Unterstützung, sondern auch ihre Krankenversicherung. Derzeit streiten Regierung und Troika darüber, ob bei Steuerschulden die Beschlagnahme der Wohnung möglich ist - oft der letzte Besitz von Mittelklassefamilien, die schon Bankkonten und Familienschmuck für das tägliche Überleben drangaben. Auch die Demokratie hat gelitten. Eine Neonazi-Partei hat nun Parlamentswürden. Ihre Schläger jagten erst Ausländer und töteten dann einen Griechen. Dann erst reagierte der Staat.

Am Donnerstag legte Finanzminister Giannis Stournaras dem Parlament seinen Haushaltsentwurf für 2014 vor - ohne vorherige Einigung mit der Troika, die weiteres Sparen verlangt. Die Buchprüfer wollen im Dezember wiederkommen, aber ob man sich dann verständigen wird, steht in den Sternen.

Unstrittig ist, dass Griechenland für den Schuldendienst in der zweiten Hälfte 2014 neues Geld braucht. Bis dahin aber würde die Regierung die Schiedsrichter aus Brüssel gern am Spielfeldrand halten, schließlich wird im Mai gewählt. Europa- und Kommunalwahl werden in Griechenland verbunden. Davor fürchtet sich die Regierung mehr als vor der Troika. Denn von den schönen neuen schwarzen Zahlen haben die meisten Griechen nichts. Und die Tickets für die Nationalmannschaft nach Brasilien sind auch noch nicht bezahlt.

© SZ vom 22.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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