Saudi-Arabien:Um die Krone

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Im Zentrum des Machtkamps in der saudischen Königsfamilie: Kronprinz Mohammed bin Salman. (Foto: dpa)

Vordergründig geht es um den Kampf gegen Korruption: Doch eigentlich sollen die neuen Massenverhaftungen wohl die Macht des Thronfolgers festigen.

Von Moritz Baumstieger, München

Die Regierungsbehörden in Saudi-Arabien haben ihre Arbeit vorerst eingestellt. Um die Ausbreitung des Coronavirus zu vermeiden, wurden die Mitarbeiter nach Hause geschickt. Nur Beamte, die im Gesundheits- oder im Sicherheitsbereich tätig sind, müssten zur Arbeit erscheinen, teilte das Innenministerium am Montag mit. Die nationale Anti-Korruptionsbehörde Nazaha hat zumindest den Publikumsverkehr eingestellt und nimmt Hinweise nur noch elektronisch entgegen. Doch die Mitarbeiter dürften ohnehin damit beschäftigt sein, Fälle aufzuarbeiten: Ihre Ermittler hätten 674 Menschen Befragungen unterzogen, teilte die Behörde am Sonntag mit, 298 seien wegen Bestechlichkeit oder Amtsmissbrauch festgenommen worden. Insgesamt gehe es um eine Summe von 379 saudischen Rial, etwas mehr als 90 Millionen Euro.

Was in fast jedem anderen Land als Erfolg gegen die Plage der Korruption gefeiert würde, lässt im Falle Saudi-Arabiens Beobachter aufhorchen. Bereits vor zwei Jahren hatte Kronprinz Mohammed bin Salman, der sich gerne mit "MbS" abkürzen lässt, mehr als 300 Menschen wegen Korruptionsvorwürfen festsetzen lassen. Unter ihnen waren Mitglieder der königlichen Familie, Ex-Minister, prominente Geschäftsleute und hohe Beamte. Über Wochen wurden sie im Hotel Ritz Carlton in Riad kaserniert. Als die Beschuldigten nach und nach entlassen wurden, hatten sie dem Staat 107 Milliarden unrechtmäßig erworbene US-Dollar überschrieben. Nicht ganz freiwillig: Das Nobelhotel mag ein goldenes Gefängnis gewesen sein, aber eines, dessen Insassen misshandelt wurden.

Die nun in Frage stehende Summe ist deutlich niedriger, die Festgenommenen sind weniger prominent. Laut der Mitteilung der Anti-Korruptionsbehörde sind unter ihnen Offiziere aus dem Verteidigungs- und dem Innenministerium, Richter und Professoren. Was genau ihnen vorgeworfen wird, ist noch unbekannt, spekuliert wird jedoch viel. Schon 2017 verfolgte Saudi-Arabiens Thronfolger mit den Massenverhaftungen auch politische Gründe: Der Kampf gegen die Korruption lieferte ihm wenige Monate nach dem Erreichen des Status eines Kronprinzen den Vorwand, potenzielle Rivalen und kalt zu stellen und Widerstand gegen seine Person zu brechen. Und auch nun fällt die Anti-Korruptionskampagne in eine Zeit, in der hinter den Palastmauern ein Machtkampf zu eskalieren scheint.

Es gibt Gerüchte, wonach 84-Jährige König Salman unter Demenz leidet

Anfang März hatten vermummte und schwer bewaffnete Palastwachen drei Prinzen und weitere Mitglieder der Königsfamilie festgenommen, wegen angeblicher Umsturzpläne. Unter ihnen ist Prinz Ahmed bin Abdelaziz, der sich zu Kritik des von MbS betriebenen Kriegseinsatzes im Jemen hatte hinreißen lassen. Als letzter noch lebender Bruder von König Salman könnte er Ansprüche auf den Thron stellen. Mohammed bin Nayef, der Innenminister war und bis 2017 als Thronfolger auserkoren war, wurde ebenfalls verhaftet.

Dass die Prinzen wirklich einen Staatsstreich vorbereiteten, ist wenig glaubhaft. Schon jetzt befehligt MbS als Kronprinz und Verteidigungsminister die Palastwache, die Geheimdienste und die Armee, ein Coup wäre zum Scheitern verurteilt. Medien, die Saudi-Arabiens Rivalen am Golf nahestehen, streuen beharrlich eine andere Version: Durch die Festnahmen habe MbS möglichen Widerstand im Bayaa-Rat ausschalten wollen, schreibt etwa das Portal Middle East Eye, für das mehrere Ex-Mitarbeiter des katarischen Senders al-Jazeera schreiben. Das 2007 geschaffene Gremium aus 28 Mitgliedern der Herrscherfamilie wählt nicht nur den Kronprinzen, sondern entscheidet auch, ob amtierende Könige noch in der Lage sind, das Land zu führen. König Salman umwehen seit einiger Zeit Gerüchte, denen seine wenigen Auftritte stets neue Nahrung geben: Der 84-Jährige soll dement sein, weshalb sein Sohn bereits die täglichen Amtsgeschäfte führe.

Bevor jedoch im November die G20-Staaten zum Gipfel nach Riad kommen - und sein Verbündeter Donald Trump in den USA womöglich die Wiederwahl verpasst - wolle sich MbS die Krone sichern, heißt es.

© SZ vom 17.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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