Saarland:Erster "Jamaika"-Vertrag steht

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Im Saarland haben sich CDU, FDP und Grüne auf die Inhalte der bundesweit ersten Jamaika-Koalition geeinigt. Die größten Veränderungen wird es in der Bildungspolitik geben.

M. Widmann

Es war halb acht am Mittwochabend, als die ersten Unterhändler die Saarbrücker Staatskanzlei mit einem recht zufriedenen Gesichtsausdruck verließen. "Wir waren uns schnell einig", sagte der designierte Bildungsminister Klaus Kessler (Grüne). Und der FDP-Abgeordnete Karl-Josef Jochem verkündete: "89 von 90 Seiten stehen fest." Inhaltlich war damit der Koalitionsvertrag des ersten Jamaika-Bündnisses in Deutschland besiegelt. Nun blieben nur noch die Parteispitzen im holzverkleideten Sitzungssaal zurück. Bis in die Nacht verhandelten sie über die letzte Seite des Textes, wo noch eine Lücke klaffte für die Namen der künftigen Minister und die Zuschnitte ihrer Ressorts.

Die erste Jamaika-Koalition steht: Der saarländische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Peter Müller (l) mit dem dem Vorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Hubert Ulrich (r), und dem saarländischen FDP-Vorsitzenden Christoph Hartmann. (Foto: Foto: dpa)

An diesem Donnerstag soll der fertige Vertrag präsentiert werden. Klar ist bereits, dass es die größten Veränderungen in der Bildungspolitik geben wird, wenn die schwarz-gelb-grünen Pläne - die einer Verfassungsänderung bedürfen - umgesetzt werden. Neben den Gymnasien soll als zweite Säule eine sogenannte Gemeinschaftsschule entstehen. Auch dort sollen die Schüler künftig das Abitur machen können. Dass die Studiengebühren fallen, ist ebenfalls beschlossen. Beachtliche Neuerungen sind das - vor allem für die Saar-CDU von Ministerpräsident Peter Müller. Sie musste für das neue Bündnis eine ganze Reihe ihrer jahrelang verteidigten Positionen räumen.

Am Samstag wird ein CDU-Parteitag über den Vertrag abstimmen. Doch bislang sieht es so aus, als gedeihe bei den Konservativen kein großer Unmut über die neue Flexibilität. Man sei eine Partei, für die das Regieren zum Selbstverständnis gehöre, sagt ein führender Christdemokrat. Und Koalition heiße eben Kompromisse. Die SPD sieht das naturgemäß kritischer. Landeschef Heiko Maas hält der CDU vor, jede Position bereitwillig zu räumen, Hauptsache man könne die Dienstwagen behalten.

Deutlich lauter rumort es bei den Grünen seit ihrer Entscheidung für ein Bündnis mit Konservativen und Liberalen - obwohl die Mehrheit den Kurs von Parteichef Hubert Ulrich wohl mitgehen wird. Aus Versehen gerieten die Protokolle mit den Sondierungsergebnissen an die Öffentlichkeit. Sie zeigen, dass die Partei in einem rot-rot-grünen Bündnis noch einige Ziele mehr hätte umsetzen können, etwa das Eintreten für einen gesetzlichen Mindestlohn. Kritiker werfen Ulrich vor, Jamaika aus rein persönlichen Vorlieben durchgeboxt zu haben.

Unstrittig ist jedoch, dass die Grünen mit ihrer ,,Ping-Pong-Diplomatie'', wie es ein Verhandlungspartner nennt, alle wesentlichen Forderungen im Vertrag untergebracht haben. Geschickt sprachen sie wochenlang abwechselnd mit beiden Lagern. Nun wird etwa in der Energiepolitik festgeschrieben, dass im Saarland keine neuen Großkraftwerke mit einer Leistung von mehr als 500 Megawatt mehr genehmigt werden. Erneuerbare Energien erhalten grundsätzlich Vorrang. Und im Bundesrat wird das Land Laufzeitverlängerungen von Atommeilern ablehnen. Noch so ein Punkt, der nicht jeden in CDU und FDP entzückt.

Unklar blieb am Mittwochabend allerdings, wie das klamme Saarland die vielen neuen Ideen bezahlen will. Es hat die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer.

© SZ vom 05.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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