Russlands Beziehungen zur EU:Eiserner Putin

Lesezeit: 3 min

Moskaus Verhältnis zu den wichtigsten Partnern in Europa könnte kaum besser sein - so besagt es der politische Schönsprech aus dem russischen Präsidialamt. Doch jenseits des florierenden Handels schwinden die Gemeinsamkeiten. Seit Putins Rückkehr ins Präsidentenamt zeigt sich die russische Führung bärbeißiger denn je - das zeigt sich auch vor seinem heutigen Besuch in Berlin.

Frank Nienhuysen, Moskau

Wäre alles nur so einfach wie in den E-Mails, die gerade vom russischen Präsidialamt verschickt wurden und bereinigt sind von politischem Ballast. Kaum besser sein könnte demnach das Verhältnis zwischen Russland und den beiden wichtigsten Partnern in Europa, die der neue Präsident Wladimir Putin an diesem Freitag besucht.

Der neue, alte Präsident Wladimir Putin: Trotz der Antrittsbesuche in Paris und Berlin ist die Stimmung zwischen Russland und der EU eher unterkühlt. (Foto: dpa)

Die "strategische Partnerschaft mit Deutschland entwickelt sich intensiv", heißt es in dem Schreiben, der Handel habe einen Rekord erreicht, und dann beginne ja bald auch noch das deutsch-russische Jahr. Berlin ist Moskaus größte Stütze in Europa, und mit Frankreich sieht es kaum schlechter aus. Auch mit Paris bilanziert Moskau gemeinsame wirtschaftliche Höchstwerte, dazu eine "erfolgreiche Zusammenarbeit in der Weltraumpolitik".

Eine andere Wirklichkeit spiegelt sich derweil in Umfragen. Ausgerechnet die Deutschen und Franzosen haben nach einer Studie von GlobeScan die größten Vorbehalte gegen Russland. Die Experten erklären dies mit der mangelnden Demokratie in Moskau, aber auch mit der russischen Außenpolitik, die Diktatoren wie Baschar al-Assad in Syrien unterstütze. So gesehen dürften sich die Befragten bestätigt fühlen, dass Putins erste Auslandsreise in seiner dritten Amtszeit am Donnerstag zunächst ins autoritäre Weißrussland geführt hat.

Die Enttäuschung über Putins Wiederwahl war in Europa spürbar

Drei Wochen nach seinem Einzug in den Kreml arbeitet Putin nun den ersten großen Schwung an Antrittsbesuchen ab: Weißrussland, Deutschland, Frankreich, in der nächsten Woche China, Kasachstan, Usbekistan, dazwischen noch das zweitägige Russland-EU-Treffen in der Nähe von Sankt Petersburg.

Einen Flug zum G8-Treffen ins amerikanische Camp David hatte Putin kürzlich abgelehnt, weil er sich angeblich ganz auf die Regierungsbildung in Moskau konzentrierte. Doch das Gerücht hält sich, dass Putin seine symbolische erste Auslandsreise nicht in die USA machen wollte, nachdem die Spannungen mit Washington zuletzt deutlich zugenommen haben.

Die Enttäuschung in Europa war spürbar gewesen, als Putin mit Dmitrij Medwedjew den Ämtertausch besiegelte. Medwedjew pflegte eine für den Westen angenehmere Rhetorik, in die viele Europäer zugleich auch Hoffnungen auf eine Demokratisierung projizierten. Diese Irritationen dürften sich nun auflösen.

Russland hat zwar auch in den vergangenen Jahren eine selbstbewusste Außenpolitik betrieben, jetzt wird sie wieder durch ihren Präsidenten verkörpert. "Putins Europa-Strategie wird sich nicht von der vorherigen unterscheiden", sagt der russische Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow, "aber Putin ist für viele ein unangenehmer Gesprächspartner".

Russland hat immer wieder betont, wie wichtig Europa als Partner ist. Und doch erscheint ihm dieser Staatenbund etwas zu kompliziert. Den zähen Prozess innerhalb der EU, fast 30 Einzelinteressen zu einer gemeinsamen Haltung zu bündeln, hat Putin in seinem Wahlkampf als abschreckendes Beispiel von Demokratie sogar verhöhnt.

Moskau zieht auch deshalb Sonderbeziehungen zu einzelnen EU-Ländern vor, wenn es seinen Interessen dient, und die sind mit Blick auf Europa vor allem wirtschaftlicher Art. Stolz würdigt es etwa die Zusammenarbeit mit Berlin bei der Nordstream-Pipeline, oder die Gasverträge, die Russland mit Italien verbindet.

Russland versteht sich als Energie-Lieferant, der umgekehrt von Europa keine Belehrungen in Demokratie und Menschenrechten will und auch keinen Druck in der Syrien-Frage, sondern Investitionen und Know-How, mit denen es die eigene Wirtschaft vorantreibt. Putin hat mit seinen Vorwürfen, der Westen habe die Straßenproteste in Russland unterstützt, deutlich gemacht, dass weniger Werte als nüchterne Geschäftsinteressen das russisch-europäische Verhältnis bestimmt.

Wie viel den Westen und Russland trennt

Vor allem die vergangenen Wochen haben gezeigt, wie viel den Westen und Russland abseits des wirtschaftlichen Handels trennt - trotz gemeinsamer Interessen in Afghanistan und beim Kampf gegen die Piraterie. Beim Thema Syrien geriert sich Moskau als letzte diplomatische Stütze des Assad-Regimes. Im Fall Iran mildert es den Druck bei den Atomverhandlungen. Und die Gespräche über die europäische Sicherheitspolitik werden zunehmend ideologisch geführt.

Allen voran in der geplanten Raketenabwehr zeigt sich die russische Führung seit Putins Rückkehr bärbeißiger denn je, droht mit Raketen in Kaliningrad und dem Erstschlag gegen den Abwehrschild. Eisern beharrt Moskau auf seiner These, dass das Nato-Projekt unter Führung der Amerikaner in Wirklichkeit gegen Russland gerichtet ist. Damit erhofft es sich mehr Verhandlungsmasse, es symbolisiert zugleich jedoch das tiefe Misstrauen gegen die Allianz und die USA.

Russland will seine Außenpolitik auf keinen Fall im Westen verankern, und so führt Putins Weg in den nächsten Tagen ungebremst bis nach China und Zentralasien. Moskaus Vorstellung einer multipolaren Weltordnung endet allerdings dort, wo es selber gern eine neue Dominanz erringen will: auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetrepubliken. Der amerikanische Botschafter in Moskau, Michael McFaul, behauptete jetzt, Russland habe die Führung in Kirgisistan bestochen, damit diese die Amerikaner aus dem Land werfe. Moskau reagierte empört, McFaul zeigte sich reumütig. Aber die Spannungen dürften bleiben.

© SZ vom 01.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: