Großbritannien:Johnson tritt als Tory-Chef zurück

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Großbritannien, Johnson tritt als Tory-Chef zurück (Video: Reuters)

Bis zur Wahl eines Nachfolgers will er Premier bleiben. Zuletzt stand Johnson unter großem öffentlichen Druck. Seit Dienstag haben mehr als 50 Regierungsmitarbeiter teils im Minutentakt ihre Posten aufgegeben.

Der britische Premierminister Boris Johnson tritt als Chef seiner Partei zurück. Er wolle aber als Regierungschef weitermachen, bis ein Nachfolger gewählt ist, sagte Johnson am Donnerstagmittag in London. Er selbst wurde vor knapp drei Jahren von seiner Partei ins Amt gewählt.

Es sei der "klare Wille der Konservativen Partei", dass es einen neuen Vorsitzenden geben solle, sagte Johnson. Er bedauere sehr, dass er seine Parteifreunde nicht davon habe überzeugen können, dass er im Amt bleibe. Da habe es offenbar einen gewissen Herdentrieb gegeben. "Ich dachte, es wäre meine Pflicht, Ihnen das zu liefern, was wir Ihnen versprochen haben", sagte der Premier an die Bevölkerung gerichtet. Bis eine neue Regierung gewählt sei, werde die bisherige "weiter ihre Arbeit machen".

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Kurz vor seiner Rücktrittsankündigung ernannte Johnson noch mehrere neue Minister. Allerdings fordern zahlreiche Parteifreunde, der 58-Jährige solle sofort auch als Regierungschef abtreten. Die Opposition verlangt eine Neuwahl und droht mit einem Misstrauensvotum im Parlament, sollte Johnson sich nicht umgehend aus der Regierung zurückziehen. Ein solches hatte Johnson erst Anfang Juni überstanden. Wenn die Regeln nicht geändert werden, ist erst im kommenden Juni wieder ein Misstrauensvotum gegen ihn möglich. In Großbritannien liegen die Ämter des Premiers und die des Vorsitzenden der stärksten Partei traditionell in einer Hand.

Oppositionsführer Keir Starmer sagte: "Seine eigene Partei ist endlich zu dem Schluss gekommen, dass er als Premierminister ungeeignet ist." Man könne nun aber "nicht noch monatelang mit diesem Premierminister weitermachen, der sich an die Macht klammert". Ähnlich argumentiert der frühere britische Regierungschef John Major: "Der Vorschlag, dass der Premierminister bis zu drei Monate im Amt bleibt, nachdem er die Unterstützung seines Kabinetts, seiner Regierung und seiner Parlamentsfraktion verloren hat, ist unklug und möglicherweise unhaltbar." Major schlägt den stellvertretenden Premierminister Dominic Raab als Übergangslösung vor.

Auch der amtierende Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng drängt seine Tories zur Eile bei der Suche nach einem Nachfolger. Als mögliche Kandidaten gelten unter anderem Außenministerin Liz Truss, die laut einem BBC-Bericht ihren Besuch des G-20-Treffens auf Bali abbrechen und nach London zurückkehren will. Zudem ist Verteidigungsminister Ben Wallace im Gespräch.

Auslöser der Regierungskrise ist die Affäre um den Tory-Abgeordneten Pincher

Johnson sagte, er sei "traurig", jetzt "den besten Job der Welt" aufgeben zu müssen. Und er sei stolz auf das von ihm Erreichte: In diesem Zusammenhang erwähnte der Premier den Austritt aus der EU, die "schnellste Impfstrategie und den schnellsten Ausstieg aus dem Lockdown" und die internationale Allianz gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

In den vergangenen Tagen war Johnson unter großen Druck geraten, viele Minister und Abgeordnete wandten sich von ihm ab und forderten seinen Rücktritt. Seit Dienstag gaben mehr als 50 Regierungsmitarbeiter teils im Minutentakt ihre Posten auf. Zurückgetreten sind unter anderem Bildungsministerin Michelle Donelan, Nordirland-Minister Brandon Lewis, Gesundheitsminister Sajid Javid, Finanzminister Rishi Sunak und Simon Hart, der britische Minister für Wales. Zudem entließ Johnson seinen Minister für Bau und Wohnen, Michael Gove. Diverse Posten besetzte Johnson noch am Donnerstag neu: das Bildungsministerium beispielsweise mit James Cleverly, das Cabinet Office mit Kit Malthouse, das Ministerium für Wales mit Robert Buckland.

Hintergrund der Rücktrittswelle und der Regierungskrise ist die Nominierung des Tory-Abgeordneten Chris Pincher als "Deputy Chief Whip" durch Johnson. Pincher werden mehrere Fälle von sexueller Belästigung vorgeworfen. Johnson leugnete zunächst, von den Anschuldigungen gewusst zu haben; am Mittwoch wurde klar, dass er gelogen hatte. Eine Bitte um Entschuldigung dafür war auch am Donnerstag nicht von ihm zu vernehmen.

Johnsons Verhalten in dem jüngsten Fall reiht sich ein in eine Vielzahl von Skandalen, die sich der britische Premierminister in den vergangenen Wochen und Monaten hat zu Schulden kommen lassen. Zuletzt stand er vor allem wegen illegaler Partys in der Kritik, die er während des Corona-Lockdowns in seinem Amtssitz in der Downing Street gefeiert hatte.

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