Der Senator versichert, er sei ganz der Alte. Und er hält ein mitleidiges Lächeln parat für all jene, die da anderes behaupten. Irgendwo zwischen "recht unterhaltsam" und "arg lächerlich" verortet John McCain das anschwellende Gerede, er habe in den vergangenen Monaten seine Standpunkte massiv nach rechts verlagert. "Nein, ich glaube nicht, dass ich mich verändert habe", beteuert der republikanische Präsidentschaftskandidat von 2008. Also mag es daran liegen, dass sich die Welt verändert hat - daheim im konservativen Arizona, wo der 73-jährige Vietnamveteran sich in diesem Herbst für seine fünfte Amtszeit als Senator bewirbt: Seit 1987 gehört er der Kammer an, und nie zuvor musste McCain so sehr um seine politische Zukunft bangen wie heute.
Seit Monaten ist der Senator auf der Hut. Nicht die Demokraten bedrängen ihn, er witterte die Gefahr von rechts. Dort nämlich gärt seit knapp einem Jahr der Unwillen, dort wabert die Wut nicht nur gegen den vermeintlich sehr linken Präsidenten Barack Obama, sondern gegen ganz Washington überhaupt. Und John McCain ist - trotz oder sogar wegen seines wohl kultivierten Images als Parteirebell - nach 27 langen Jahren im US-Kongress sehr wohl Teil dieses nunmehr verhassten Establishments. Zu oft und zu spektakulär hat er sich, jedenfalls nach dem Geschmack seiner konservativen Kritiker, auf Kompromisse mit den Demokraten eingelassen. Und unmittelbar nach seiner Niederlage bei der Präsidentschaftswahl im November 2008 schien es sogar, als wolle dieser Patriot sich an die Spitze einer "loyalen Opposition" stellen, um überparteilich und zusammen mit Barack Obama die Nation aus ihrer schwersten Wirtschaftskrise seit 70 Jahren zu führen.
In eingefleischt konservativen Kreisen gilt McCain deshalb als "Rino" - als "Republican in name only". Als Republikaner, der sich nur so nennt, dem aber angeblich die innere Überzeugung fehlt, zeihen rechte Aktivisten seit jeher Parteifreunde, die nicht stramm Linie halten. Beim Treffen rechtsgerichteter Protestler in Nashville, die bei ihrer ersten "Tea Party Convention" an einer nationalen Plattform bastelten, ernteten Tiraden gegen den gescheiterten republikanischen Spitzenkandidaten von 2008 stets stürmischen Beifall. Und Teile dieser Tea-Party-Bewegung sind es, die McCain nun in Arizona zusetzen. Auch bei einer Parteiversammlung in Phoenix entlud sich ähnlicher Frust: Als der Senator ans Mikrofon trat, unterbrachen ihn etliche Delegierte schrill, indem sie immer wieder zwei Initialen skandierten: "J.D., J.D.!"
Gemeint war J.D. Hayworth. Dieser einst geschasste Kongressabgeordnete und kürzlich abgetretene Radiojournalist ist es, der die Front anführt: "McCain ist zu moderat", wettert der 51-Jährige, "mir sagen die Leute, sie möchten bitte, bitte endlich einen konservativen Senator". Exakt diesen Part will Hayworth übernehmen, weshalb er am Montag offizielle seine Kampagne eröffnete, um bei der parteiinternen Vorwahl im August dem alten Senator die republikanische Nominierung abzujagen. Hayworth, ein überaus wortflinker Polemiker, erklärt hämisch, wieso John McCain sich im fernen Washington zuletzt gleich reihenweise selbst widersprach: "Das sind typische Wahljahr-Verwandlungen."
Die jüngste Selbstkorrektur des altgedienten Senators konnte das Wahlvolk vor laufender Kamera erleben. Bei einer Anhörung im Senat hatte soeben Admiral Michael Mullen, der oberste Offizier der Nation, lang und breit begründet, warum er nach langem Grübeln dafür eintrete, künftig homosexuellen Soldaten ohne jeden Vorbehalt den Dienst in den Streitkräften zu erlauben - da entrüstete sich McCain: "Unser Land ist im Krieg", wetterte der ehemalige Marineflieger, dies sei "nicht die rechte Zeit für eine solch heikle Reform". Vor zwei Jahren noch hatte McCain erklärt, er werde einer Lockerung des bislang geltenden Schweigezwangs für schwule GIs zustimmen, "wann immer unsere Generalität dies vorschlägt". Nun war es so weit, aber McCain mochte sich nicht erinnern.
Freund wie Feind reiben sich die Augen
Mehrere, sehr ähnliche Volten hatte der Senator bereits zuvor vollbracht. Lange galt McCain als Befürworter eines neuen, liberalen Einwanderungsgesetzes. Nun redet er nur noch von Zäunen und Grenzsicherung. Lange vor Barack Obama setzte sich der Republikaner für mehr Klimaschutz und Regeln zum Handel mit Emissionsrechten für Kohlendioxid ein. "Wie sonst kann man ein Konservativer sein?", lautete sein Slogan. Nun aber versagt er früheren Verbündeten im Senat die Unterstützung für einen überparteilichen Gesetzesentwurf. Im Januar stimmt er dann gegen die (einst eigene) Idee, mit Hilfe einer überparteilichen Kommission das riesige US-Haushaltsdefizit einzudämmen. Und nur sehr kleinlaut kommentierte McCain dann ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, das ein strenges, bei der Parteirechten seit jeher verhasstes Gesetz zur Wahlkampffinanzierung kassierte: "Ich bin enttäuscht", gab McCain zu Protokoll, der die vielgelobten Regeln einst eigenhändig mitverfasst hatte. Zugleich lehnte McCain jede Avance des Präsidenten ab, nun schnell ein neues Gesetz zu schreiben.
Freund wie Feind reiben sich die Augen in Washington. Norm Ornstein, gewitzter Wahlforscher im konservativen American Enterprise Institute, prophezeit derweil, McCains Gesinnungswandel werde nicht ewig dauern: "Wir werden bis zum Tag nach der republikanischen Vorwahl warten müssen." Dann werde der Senator zu alten Einsichten zurückfinden.
Neuerdings stehen die Sterne sogar wieder günstiger, dass der Senator sein Amt vielleicht doch behalten darf. Eine neue Umfragen besagt, der Herausforderer Hayworth falle zurück im Rennen auf dem rechten Flügel. Zudem winkt McCain prominente Hilfe: Sarah Palin, seine einstige Vizepräsidentschafts-Kandidatin und nunmehr Heldin der neuen Rechten, kommt im März nach Arizona - als Wahlhelferin für ihren "Helden und Staatsmann".