Repressives Regime:Wo Fröhlichkeit staatlich verordnet ist

Lesezeit: 3 Min.

Masseninszenierung für den Präsidenten - am besten in Weiß. Das ist die Lieblingsfarbe des turkmenischen Staatschefs. (Foto: AP)
  • In Turkmenistan hat der "Gesundheits- und Fröhlichkeitsmonat" begonnen.
  • Tausende Turkmenen müssen täglich an inszenierten Sportprogrammen teilnehmen, staatlich verordnet.
  • Das erdgasreiche Land in Zentralasien zählt zu den repressivsten, abgeriegeltsten Ländern der Welt.

Von Hanna Spanhel

Fröhlichkeit, die verordnet wird, sieht bedrückend aus. Hunderte Menschen, die in Anzug und Hemd ihre Arme kreisen, aufgestellt in langen Reihen vor großen, weißen Gebäuden. Menschen, die in grün-weißen Trainingsanzügen auf breiten Autobahnen entlangjoggen, oder auf großen, weißen Plätzen im Takt Kniebeugen machen, mit ausdruckslosem Blick. Nur ab und an grinst jemand etwas angestrengt.

In Turkmenistan hat vor kurzem der nationale Gesundheitsmonat begonnen, genauer gesagt: der Gesundheits-und-Fröhlichkeits-Monat. Einmal im Jahr müssen Staatsbeamte, Studierende und Schulkinder einen Monat lang hunderte sportliche Massenevents mitmachen. Das Programm ist Pflicht, nationale Pflicht sozusagen. Genauso wie fröhlich sein - das zentralasiatische Land am kaspischen Meer befindet sich zurzeit im "Zeitalter höchster Fröhlichkeit", staatlich angeordnet.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Was auf Aufnahmen des turkmenischen Staatsfernsehens, veröffentlicht auf einer Internetseite von Exil-Oppositionellen, aussieht wie eine etwas bizarre Gruppengymnastik, ist für die meisten Turkmenen bitterer Ernst: "Wer keinen vollen Einsatz zeigt, der macht sich sofort verdächtig", sagt Hannes Meißner, Experte für die Region in Wien. "In einer Diktatur kann das schlimme Konsequenzen haben." Die sportlichen Massenveranstaltungen seien eingeübt und inszeniert, wie so vieles in dem Land, sagt Meißner. Zum Beispiel der nationale Melonentag, an dem die Turkmenen Melonen huldigen, bei großen Zeremonien. Oder die Festivitäten zum nationalen Teppichtag, an dem der Teppich als "Seele der Turkmenen" gewürdigt werden soll. "All diese Absurditäten haben in dem ehemaligen Sowjetstaat Tradition", sagt Meißner, der im Rahmen von Forschungen zu dem Land selbst in Turkmenistan war - eine seltene Ausnahme.

Turkmenistan zählt zu den repressivsten Staaten der Welt

Wenig ist über dieses Land bekannt, das irgendwo zwischen Afghanistan, dem Iran und Usbekistan liegt. Nur etwa 5 Millionen Menschen leben nach Schätzungen des Auswärtigen Amtes in Turkmenistan, das zu knapp 85 Prozent von Wüste bedeckt ist. Es gilt als isoliert, abgeschottet und irgendwie mysteriös. Bekannt ist nur, dass das Land ressourcenreich ist: Immerhin verfügt es über das viertgrößte Gasvorkommen weltweit, seit Jahren verhandelt daher auch die EU mit Turkmenistan über eine Gaspipeline durch das kaspische Meer.

Der aufgezwungene Gesundheits- und Glückshype gibt eine leise Ahnung davon, was sich im Inneren dieses Landes abspielt. Menschenrechtsorganisationen zufolge gilt Turkmenistan noch immer als einer der repressivsten und verschlossensten Staaten der Welt. Die Regierung unter Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow gilt als autokratisch oder sogar als diktatorisch - eine ernsthafte parlamentarische Opposition gibt es nicht. Transparency International zählt Turkmenistan zu den zehn korruptesten Nationen der Erde. Und Amnesty International berichtete im vergangenen Jahr von Schikanen für Oppositionelle und Journalisten, von Folter, Misshandlungen, von Einschränkungen bei Meinungs- oder Religionsfreiheit und einer sehr begrenzten Unabhängigkeit der Justiz. Immerhin, heißt es in dem Bericht weiter: Es gebe kleine Verbesserungen, was die Einschränkung von Medien und politischen Teilhabe angehe, wenn auch nur in der Gesetzgebung.

Das öffentliche Leben ist kontrolliert - sogar die Farbe der Autos

Die meisten Turkmenen spüren davon kaum etwas, vermutet Meißner. "Das gesamte öffentliche Leben in Turkmenistan wird vom Präsidenten und seinen Vertrauten kontrolliert." Dazu gehören die inszenierten Massenveranstaltungen ebenso wie das Importverbot schwarzer Autos. Die Farbe der Fröhlichkeit, auch das hat der Präsident festgelegt, ist schließlich weiß. Vor ein paar Jahren mussten Bewohner der Hauptstadt Aschgabat Satellitenschüsseln und Klimaanlagen von den Hausdächern holen - aus ästhetischen Gründen. Hunderte Häuserfassaden wurden dort inzwischen mit weißen Marmorplatten verkleidet, das Geld ist ja da, durch das Erdgas. Auch für die breiten, gesäumten Straßen, die Statuen und die Springbrunnen, überall in Aschgabat.

Die Gesundheit scheint Präsident Berdimuhamedow besonders wichtig zu sein. Wie auch schon seinem Vorgänger Saparmurat Atayevich Niyazov, auch genannt "Turkmen-Bashi", Vater aller Turkmenen. Der verbat vor einigen Jahren das Rauchen auf allen öffentlichen Plätzen, sein Nachfolger hat nun vor kurzem verpflichtende HIV-Tests vor der Eheschließung eingeführt - um die Ausbreitung des Immunschwächevirus HIV zu bremsen.

Widerstand gegen diese Einschränkungen und Kontrollen gibt es kaum. Der Kontakt zur Außenwelt ist für die meisten Turkmenen kaum möglich, es gibt nur eingeschränkt Zugang zum Internet, und wenn, dann ist er streng überwacht, sagt Hannes Meißner. Regierungskritiker würden eingesperrt. Und ein Großteil der Bevölkerung lebe in bitterer Armut, vor allem auf dem Land: "Die meisten Menschen dort sind sehr passiv."

Auf diese Passivität treffe die harte Diktatur des Präsidenten, sagt Meißner. Mit teilweise absurden Zügen. "Die aufgezwungenen Massenveranstaltungen sind ein deutliches Signal an die Bevölkerung, dass der Staat durchgreift. Ein Signal von Repression", sagt der Wissenschaftler. Es gehe um Ideologie, um Personenkult, um die Mobilisierung der Bevölkerung. Sportliche Mobilisierung jedenfalls, das zeigen die Fernsehaufnahmen, lässt sich in Turkmenistan verordnen - ob das auch bei Fröhlichkeit funktioniert, bleibt wohl fragwürdig.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: