Religion:Der Hauch eines Haarschopfs

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Ultra-orthodoxe jüdische Medien zeigen aus Prinzip keine Frauen. Dafür manipulieren sie sogar Fotos. Sollte Hillary Clinton Präsidentin der USA werden, könnte sich aber selbst das ändern.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die Redaktion der Zeitung Yated Ne'eman aus New York hat ein ungewöhnliches Motiv gewählt für die Bebilderung einer Geschichte aus dem US-Wahlkampf. Hillary Clinton wird gezeigt, doch allzu viel ist nicht zu sehen von der demokratischen Präsidentschaftskandidatin: ein ausgestreckter rechter Arm mit fünf gespreizten Fingern, ein Hauch des blonden Haarschopfs - das Gesicht aber ist verdeckt von einem sperrigen Wahlkampfschild. Was wie ein missratenes Foto wirkt, ist allerdings wohl eher als Testbild zu verstehen und in jedem Fall als Tabubruch. Denn Yated Ne'eman ist ein Blatt für ultra-orthodoxe Juden - und deren Zeitungen bilden sonst niemals Frauen ab. Aus Prinzip, wäre ja sonst noch schöner.

Die eiserne Regel ist der Sittsamkeit geschuldet. Bei den Haredim, den Gottesfürchtigen, werden Frauen generell als Verführung angesehen und deshalb zum Schutze der leicht erregbaren Männer versteckt. Schon im alltäglichen Leben gilt strenge Geschlechtertrennung, möglichst bis hin zu öffentlichen Bussen und Bürgersteigen. In den frommen Publikationen führt das Trennungsgebot immer wieder zu kuriosen Lösungen. Denn für koschere Bilder werden Frauen falls nötig selbst aus welthistorischen Ereignissen verbannt - zumindest im Nachhinein per Photoshop.

Angela Merkel zum Beispiel ist das passiert, als sie in Paris im Trauerzug der Staats- und Regierungschefs für die Opfer des Charlie-Hebd o-Anschlags marschierte. In der ultra-orthodoxen israelischen Zeitung Hamevaser stand plötzlich nicht mehr sie, sondern ausgerechnet Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas neben Frankreichs Staatschef Hollande. Genauso werden auf Bildern vom israelischen Kabinett stets die Ministerinnen unterschlagen, und auch Hillary Clinton ist als Außenministerin oft genug schon Opfer der Bilderstürmer geworden.

Doch die Zeiten ändern sich, auch in der Welt der Ultra-Orthodoxen. Zur Gleichberechtigung ist es gewiss noch ein langer Weg, aber die Frauen gewinnen an Boden. Schließlich sind sie in den meisten Fällen auch die Ernährerinnen der Familien. Während die Männer bevorzugt den lieben langen Tag ihren Torah-Studien nachgehen, sind die meisten Frauen berufstätig und kümmern sich obendrein noch um die Kinder - sieben sind es im israelischen Haredim-Durchschnitt. Anders als viele Männer kommen sie also in Kontakt zur Außenwelt, was oft das Weltbild weitet und das Selbstbewusstsein stärkt. Bei der letzten Parlamentswahl in Israel kandidierte sogar eine ultra-orthodoxe Frauenpartei.

In die Knesset hat es die Liste der frommen Feministinnen nicht geschafft. Es sitzt also noch immer keine ultra-orthodoxe Frau im Parlament, weil die angestammten religiösen Parteien natürlich niemals weibliche Wesen auf ihre Wahllisten setzen würden. Doch auch in Israel hoffen viele auf einen Wandel, der von einer Wahl Hillary Clintons zur US-Präsidentin angestoßen würde. Schließlich können selbst die frommsten Männer nicht so leicht eine Frau ignorieren, die als mächtigster Mensch auf Erden amtiert.

Die halbe Hillary auf dem Foto von Yated Ne'eman wird deshalb als eine Art Versuchsballon dafür gewertet, wie weit sich ein frommes Blatt vorwagen kann. Die Jerusalem Post zitiert dazu bereits den Rabbiner Yitzchok Frankfurter, Herausgeber eines Magazins namens Ami, der im Falle eines Clinton-Wahlsiegs einräumt, dass man die alten Bilderverbote "überdenken" müsse. Alles anderes, so sagt er, wäre "respektlos" gegenüber einer amerikanischen Präsidentin.

© SZ vom 19.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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