Regierung - Dresden:"Sachsen-Koalition" bekommt für Vertrag Lob und Kritik

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Radebeul (dpa/sn) - Der Koalitionsvertrag von CDU, Grünen und SPD in Sachsen bewegt weiter die Gemüter. Am Dienstag meldeten sich neben Parteienvertretern auch Umweltverbände und andere Organisationen mit zustimmenden, aber auch kritischen Einschätzungen zu Wort. Wie erwartet trat der Konflikt innerhalb der CDU zwischen der Werte- Union, einer konservativen Splittergruppe von CDU- und CSU-Politikern, und dem übergroßen Rest der Partei offen zu Tage.

Aus Sicht der Werte-Union wurde mit dem Koalitionsvertrag "vor allem der Umbau Sachsens zu einem Musterland nach grünem Strickmuster" vereinbart. Der Landesvorsitzende Ulrich Link forderte erneut eine CDU-Minderheitsregierung ohne Teilhabe der Grünen. Er kritisierte, dass im Vertrag zahlreiche Kernpositionen der sächsischen Union aufgegeben wurden und vor allem eine grüne Handschrift unverkennbar sei.

CDU-Generalsekretär Alexander Dierks widersprach: "Dass die Werte-Union eine Koalition mit den Grünen im Grundsatz ablehnt, ist bekannt. Der Koalitionsvertrag ist dafür allerdings eine denkbar schlechte Begründung, stellt er doch die richtigen Weichen für eine Fortsetzung des sächsischen Erfolgsweges." Der Koalitionsvertrag trage die deutliche Handschrift der sächsischen Union. Auf drei Mitgliederkonferenzen wolle man nun mit der Parteibasis diskutieren.

Die Werte-Union hatte nicht nur das Einlenken der CDU bei Themen wie der Gemeinschaftsschule, dem Vergabegesetz und der Kennzeichnung von Polizisten moniert. Kritisch äußerte man sich auch zu den Passagen im Abschnitt Asyl. Der habe hauptsächlich "das Wohl der meist illegal eingereisten Personen zum Inhalt", hieß es: "Die Interessen unseres Landes sind weniger wichtig. Und beliebte Urlaubsländer sollen dank dieses Vertrags nicht zu sicheren Herkunftsländern werden."

Die Junge Union (JU) sah Grüne und SPD beim gemeinsamen Regieren in einer besonderen Pflicht. Die Mehrheit der Sachsen habe bürgerlich gewählt und nicht Grün-Rot, stellte die Nachwuchsorganisation klar: "Ich erwarte von beiden Parteien und ihren zukünftigen Staatsministern, dass sie mit Respekt und Demut in die Regierungsarbeit gehen und dem Vertrauensvorschuss gerecht werden. Wir brauchen keine ideologischen Experimente", erklärte JU-Chef Florian Oest.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International lobte unterdessen den Vertrag. Er gebe die Chance zu einer "menschenrechtsorientierten Landespolitik", teilte die Organisation mit: "Es ist höchste Zeit und die vielleicht letzte Chance für einen solchen Paradigmenwechsel. Viel zu lange wurden rassistische Umtriebe im Freistaat verharmlost, wurden die stetigen Warnrufe der Zivilgesellschaft als missliebige Kritik abgetan." Beim Thema Asylrecht gab es aber auch kritische Töne. Die Koalitionsparteien hätten hier noch deutlich mehr Spielräume gehabt, hieß es.

Aus Sicht der Umweltorganisation Nabu lässt der Vertrag auf einen Wandel im Natur- und Umweltschutz hoffen. Dass der Klimaschutz als Staatsziel in der sächsischen Verfassung verankert werden soll, sei ein "essenzieller und richtiger Schritt", erklärte Bernd Heinitz, Chef des Naturschutzbundes Deutschland in Sachsen. Man begrüße unter anderem, dass Moore als die am meisten gefährdeten Ökosysteme in Europa in Sachsen wieder vernässt werden sollen.

Nach Meinung von Linke-Chef Susann Schaper hat Sachsens neue Regierung den Ernst der Lage nicht verstanden. "Mich stört es sehr, dass das Soziale auch in diesem Koalitionsvertrag nur wenig Raum einnimmt", erklärte Schaper in ihrer Eigenschaft als sozialpolitische Sprecherin der Linken im Landtag. Es sei unverständlich, dass das Wort Armut kein einziges Mal vorkomme, obwohl jeder sechste Mensch in Sachsen davon bedroht sei.

Die Diakonie Sachsen bezeichnete den Koalitionsvertrag als "erfreulich und zukunftsweisend". Er schätze soziale Arbeit und enthalte viele positive Ansätze, die für eine gerechtere Gesellschaft notwendig sind, betonte Diakonie-Chef Dietrich Bauer. "Viele gute Ansätze und Schritte in die richtige Richtung - aber jetzt müssen den Absichtserklärungen auch die nötigen Taten folgen", hieß es.

Die AfD warf der CDU unter Führung von Ministerpräsident Michael Kretschmer vor, sich selbst zu erniedrigen. "Nur um seine Macht zu erhalten, ist der Ministerpräsident vor der grünen Acht-Prozent- Partei auf breiter Linie eingeknickt", erklärte Parteichef Jörg Urban.

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