Regierung:Analyse: Kampf um das Erbe Wowereits in Berlin voll entbrannt

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Berlin (dpa) - "Teflon-Klaus" haben sie ihn genannt. Einen, der alles an sich abperlen lässt. Doch was er heute zu sagen hat, lässt selbst Klaus Wowereit nicht kalt. "Ich gehe freiwillig", sagt Berlins Regierender Bürgermeister.

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Berlin (dpa) - „Teflon-Klaus“ haben sie ihn genannt. Einen, der alles an sich abperlen lässt. Doch was er heute zu sagen hat, lässt selbst Klaus Wowereit nicht kalt. „Ich gehe freiwillig“, sagt Berlins Regierender Bürgermeister.

Das süffisante Grinsen hat er abgelegt, die Gefühle überspielt er mit nervösem Kichern, für den Moment. Dann beeilt er sich, von einer Kopf- statt einer Bauchentscheidung zu sprechen.

Der dienstälteste Landesregierungschef Deutschlands nimmt also den Hut. Eine echte Überraschung ist das nicht. Eher ein schleichender, nicht ganz freiwilliger Rückzug auf Raten. Und trotzdem trifft er das politische Berlin unvorbereitet.

13 Jahre währte die Ära Wowereit. Eine Zeit, in der er „Sonnenkönig“ war, strahlender Wahlsieger, sogar heimlicher Kanzler-Aspirant - aber auch Bruchpilot. Denn Wowereits Macht bröckelte seit langem, genauer seit Mai 2012, als er die Eröffnung des Hauptstadtflughafens absagte.

Es folgten explodierende Kosten, Rücktrittsforderungen, die Steueraffäre eines Staatssekretärs. All das lächelte der 60-Jährige weg. Ein Stehaufmännchen selbst nach dem Misstrauensvotum im Januar 2013. Ein Trotzkopf und Aussitzer, der sich nicht zum Rücktritt drängen lassen wollte. „Wer mich kennt, weiß, dass es nicht so leicht ist, mich vom Hof zu vertreiben“, sagt er am Dienstag. Wenn er schon gehen muss, dann bitte mit Knall und selbstbestimmt.

Seiner Partei gibt Wowereit auf den letzten Metern noch einen mit. Die Genossen hatten die Debatte um seinen Abschied zuletzt noch befeuert. Zwei Jahre vor Ende der Legislaturperiode sei dies eine Diskussion, „die wenig Nutzen für meine Partei bringt und dafür viel Schaden für eine effektive Regierungsarbeit“, betont Wowereit nun.

Im Sog ihres Frontmanns stürzte auch die Hauptstadt-SPD zuletzt immer weiter ab. Nach einer Forsa-Umfrage für die „Berliner Zeitung“ liegt sie derzeit mit 21 Prozent abgeschlagen hinter ihrem Koalitionspartner CDU. Tendenz sinkend. Und jetzt das.

Eigentlich hätte sich die Partei auf diesen Augenblick vorbereiten können. Hätte flugs einen Nachfolger aus dem Hut ziehen können. Doch intern tobt der Machtkampf. Fünf Namen werden genannt, wenn es um Wowereits Erbe geht. Zuallererst Landeschef Jan Stöß und Fraktionschef Raed Saleh. Bei Letzterem bedankte sich Wowereit in seiner Rücktrittserklärung ausdrücklich.

Auch Ex-SPD-Landeschef Michael Müller, Arbeitssenatorin Dilek Kolat und der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum werden gehandelt. Einen eindeutigen Nachfolger gebe es nicht, sagt Wowereit mehrmals. Er bringt einen Mitgliederentscheid ins Spiel, was zumindest bei der Parteibasis gut ankommt. Er selbst wolle sich „nicht besonders einmischen“, betont der Noch-Regierungschef.

So kurz vor drei Landtagswahlen in Ostdeutschland findet man Wowereits Timing bei der Bundes-SPD etwas unglücklich. Sie wurde von der Erklärung kalt erwischt. Seit Monaten wird die Entwicklung der Berliner SPD mit Sorge betrachtet, hinter den Kulissen dürfte SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel mitreden. Jetzt registrieren sie im Willy-Brandt-Haus sofort: Wowereit meidet den Namen von Stöß, der einst seinen Kronprinzen Müller als Landeschef gestürzt hatte. „Saleh kann das auf gar keinen Fall“, heißt es daraufhin in hohen SPD-Kreisen. Stöß habe bei einem Mitgliederentscheid wohl bessere Karten.

Auch der Partner CDU redet mit: Man müsse den Personalvorschlag der SPD mittragen können, betont Parteichef Frank Henkel. Man kann sich vorstellen, dass die Christdemokraten - in Umfragen seit Monaten stärkste Kraft in Berlin - auch mit dem Vorschlag der Grünen leben könnten. Deren Führungsriege in Partei und Fraktion fordert unisono Neuwahlen, die Linke schließt sich an, nur die Piraten nicht, deren Wiedereinzug ins Parlament extrem unwahrscheinlich wäre.

Wird wirklich neu gewählt, scheint auch ein CDU-Sieg, womöglich sogar Schwarz-Grün, nicht unmöglich. Das alles könnte dem Trotzkopf Klaus Wowereit nun eigentlich egal sein. Aus der aktiven Politik zieht er sich zurück. Doch dann macht er Berlin diese Liebeserklärung: „Ich liebe diese Stadt so wie sie ist, mit ihren Widersprüchen, mit ihren Vorteilen, ihren Nachteilen, mit ihrer Rauheit, mit ihrer Schönheit, und das wird auch so bleiben.“

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