Referendum in Italien:Die Angst des Premiers vor dem Volk

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In mehreren Abstimmungen entscheiden die Italiener an diesem Sonntag über Atomkraft und Wasserversorgung - aber letzlich auch über ihren Premier Berlusconi. Zwar spielt der das Plebiszit herunter, doch eine Niederlage könnte ihn das Amt kosten.

Andrea Bachstein, Rom

Selbst Adriano Celentano trommelt, damit die Italiener ihre Stimme erheben. Der Sänger ist einer der Prominenten, die ihre Landsleute dafür gewinnen wollen, an den Referenden am Sonntag und Montag teilzunehmen. Es geht darum, ob Italiens wieder in die Atomenergie einsteigt, ob die öffentliche Wasserversorgung privatisiert wird und um ein Gesetz, das es Regierungsmitgliedern ersparen soll, vor Gericht zu erscheinen. Die Abstimmungen gelten jenseits der Sachfragen als politischer Test für die Regierung von Silvio Berlusconi.

Mit Bannern und Plakaten - hier am Kolosseum in Rom - ruft Greenpeace die Italiener auf, bei dem Referendum für den Atomausstieg zu stimmen. (Foto: REUTERS)

Der jedoch versucht, die Bedeutung der Volksentscheide herunterzuspielen, die sich gegen Gesetze seiner Koalition richten. Nutzlos nennt der Premier die Referenden - und kündigt an, nicht abzustimmen. Sonst sagt er möglichst wenig dazu, wie seine Minister. Sie müssen fürchten, nach den Niederlagen bei den Kommunalwahlen im Mai erneut eine Abfuhr zu bekommen. Die schlechten Wahlergebnisse von Berlusconis Partei PDL haben die bisher offenste Diskussion über seinen Führungsstil ausgelöst. Die Frage nach einem Nachfolger wird immer drängender gestellt.

Vergeblich hat die Regierung in den vergangenen Tagen versucht, zumindest die Abstimmung in der Atomfrage über die höchsten Gerichte zu verhindern. Die Oppositionsparteien PD und IDV unterstützen die Volksentscheide oder haben sie eingebracht. Sie hoffen, dass der Trend der Kommunalwahlen sich fortsetzt und der 12. und 13.Juni zum breitenVotum gegen die Regierung werden. Der wesentliche Punkt ist aber zunächst, ob genügend Bürger teilnehmen.

Gültig ist ein Referendum nur, wenn mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten abstimmen. Deshalb will die Regierung möglichst wenig Aufmerksamkeit dafür wecken. Die Opposition wirft ihr vor, die Volksentscheide zu torpedieren. Sie habe bereits mit der Wahl des Termins erreichen wollen, dass dieses Quorum nicht erreicht wird. Statt den Termin mit den Kommunalwahlen im Mai zusammenzulegen hat die Regierung ihn so gesetzt, dass schon Schulferien begonnen haben. Ein Teil der ohnehin wahlfaulen Italiener wird schon am Strand sein. Und in Städten, die Bürgermeister-Stichwahlen hatten, ist es der dritte Wahlgang in vier Wochen. Zudem rügte die Medienaufsicht den weitgehend regierungstreuen Staatssender Rai, weil er die vorgeschriebenen Informationsspots über die Volksentscheide zu selten gezeigt hat.

Dazu kommt die Verwirrung um die Stimmen der 2,4 Millionen Auslandsitaliener. Ob und wie sie angerechnet werden, entscheidet das Verfassungsgericht erst am 16.Juni. Eventuell wird deshalb erst drei Tage nach der Abstimmung ein Ergebnis vorliegen. Die Befürworter der Volksentscheide halten mit Mobilisierungskampagnen dagegen im Internet - und auf den Plätzen. 150 Veranstaltungen gab es am Freitag im ganzen Land.

Der Frage nach der Rückkehr zur Atomkraft gilt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima die größte Aufmerksamkeit. Die Entscheidungen Deutschlands und der Schweiz, aus der Kernenergie auszusteigen, sind in Italien sehr beachtet worden. Das Land hatte sich 1990 nach 27 Jahren von der Atomkraft verabschiedet und den letzten seiner vier Meiler abgeschaltet. Die Regierung beschloss dies, weil nach dem Desaster von Tschernobyl 1986 eine breite Anti-Atom-Stimmung entstanden war. In drei Referenden 1987 hatten die Bürger mit überwältigender Mehrheit zwar kein explizites Verbot für AKWs beschlossen, jedoch starke Einschränkungen für ihren Bau. Außerdem wurde dem staatlichen Energiekonzern Enel untersagt, sich an AKWs zu beteiligen. Seither fehlt es an einem stringenten nationalen Energiekonzept; auch in der Nutzung von Wind- und Sonnenkraft hinkt Italien trotz der günstigen Voraussetzungen hinterher.

Berlusconi verfolgt seit 2009 die Idee, neue Atomkraftwerke zu bauen. So gibt es den Plan, mit Frankreich einen Druckwasserreaktor zu errichten. Unter dem Eindruck von Fukushima hat der Premier ein halbjähriges Moratorium verhängt. Das Thema Kernkraft sollte im Mai nicht zum Störfall im Kommunalwahlkampf werden. Erst recht nicht, da am 15.Mai sich Sardinien bereits in einem eigenen Referendum klar gegen den Bau eines Reaktors auf der Insel entschieden hat. Berlusconi setzt darauf, dass die Anti-Atom-Stimmung in einigen Monaten abebbt. Sprechen sich die Bürger nun aber gegen die Atomkraft aus, kann die Regierung, wie bei jedem Referendum, erst nach fünf Jahren wieder ein anderslautendes Gesetz einbringen.

Kritiker Berlusconis behaupten, eigentlich fürchte er nur die Abstimmung über das Gesetz der "rechtmäßigen Verhinderung". Es gilt für alle Kabinettsmitglieder, ist jedoch für den Premier konstruiert worden, um ihn vor Prozessen zu schützen. Zwar hat das Verfassungsgericht die Regelung bereits eingeschränkt, aber sie erlaubt Berlusconi weiter, in gewissem Umfang Gerichtsterminen wegen seiner Amtsgeschäfte fernzubleiben. Damit ziehen sich die Verfahren in die Länge und Chance steigt, dass die Delikte ohne Urteil verjähren.

© SZ vom 11.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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