Rechtsstaatlichkeit:Einigung im EU-Haushaltsstreit in Sicht

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Im Streit um die Blockade des EU-Haushalts durch Polen und Ungarn gibt es einen konkreten Lösungsvorschlag. (Foto: Zoltan Fischer/via REUTERS)

Kurz vor dem Gipfel verständigen sich Deutschland, Ungarn und Polen auf einen Kompromiss, der die Blockade des Brüsseler Etats beenden könnte. Ungarns Außenminister beansprucht auf Facebook den Sieg für sein Land.

Von Björn Finke und Matthias Kolb, Brüssel

Beim EU-Haushaltsstreit ist eine Einigung in Sicht: Polens Vizeregierungschef Jaroslaw Gowin sagte am Mittwoch, es gebe "eine Absprache im Dreieck Warschau-Berlin-Budapest". Details zur Lösung nannte er jedoch nicht. Offenbar soll der Disput aber mit einer Zusatzerklärung ausgeräumt werden. Am Nachmittag diskutierten die EU-Botschafter das Thema. Danach sagte ein Diplomat, die Aussprache sei positiv gewesen, allerdings blieben "eine Reihe von konstruktiven Fragen". Nach einer "vertieften Analyse" in den Hauptstädten werde der Gipfel darüber entscheiden. Die 27 Staats- und Regierungschefs treffen sich am Donnerstag und Freitag in Brüssel.

Die Klausel könnte erst nach der Wahl in Ungarn wirksam werden

Deutschland hat noch bis Jahresende die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne, weswegen die Bundesregierung in Verhandlungen versucht hat, den Streit beizulegen. Polen und Ungarn verweigerten bislang ihre Zustimmung zum Mehrjährigen Finanzrahmen, dem groben EU-Haushaltsplan für die sieben Jahre von 2021 bis 2027, sowie zum Corona-Hilfsfonds. Insgesamt geht es um 1,8 Billionen Euro. Ohne das Plazet der beiden Regierungen hätte die EU von Januar an keinen gültigen Etat, sondern müsste mit einem abgespeckten Notbudget arbeiten. Mit ihren Vetos wollten die zwei Regierungen erreichen, dass der beschlossene Rechtsstaatsmechanismus doch nicht in Kraft tritt. Diese Klausel würde es erstmals erlauben, unter gewissen Umständen Fördermittel zu kappen, wenn im Empfängerland der Rechtsstaat bedroht ist. Und gegen Ungarn und Polen laufen ohnehin schon EU-Verfahren wegen Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit.

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Die Klausel Polen und Ungarn zuliebe abzuschwächen, war keine realistische Option, da der Mechanismus Ergebnis mühsamer Verhandlungen mit dem Europaparlament ist. Dieses hätte sich gegen solch einen Schritt gewehrt, genau wie manche EU-Regierung, etwa die niederländische oder jene aus Skandinavien. Alle EU-Staaten müssen beim Gipfel dem Kompromiss zustimmen, den Deutschland, Polen und Ungarn gefunden haben.

Die Einigung sieht nun vor, in einer Zusatzerklärung auf die Bedenken Polens und Ungarns einzugehen. Der Textentwurf, der den EU-Botschaftern präsentiert wurde, erläutert die Anwendung der Klausel und macht klar, dass sich der Mechanismus nur auf den Etat und die rechtmäßige Verwendung von Fördermitteln bezieht. Polens und Ungarns Regierung hatten geklagt, die Klausel könne missbraucht werden, um von ihnen Zugeständnisse bei heiklen Themen wie Migration oder den Rechten Homosexueller zu erpressen.

Zudem hat man sich darauf verständigt, dass das neue Instrument erst angewendet wird, nachdem der Europäische Gerichtshof die Rechtmäßigkeit überprüft hat. Es würde dann vermutlich erst nach der Parlamentswahl in Ungarn im Frühjahr 2022 wirksam - was dem dortigen Ministerpräsidenten Viktor Orbán entgegenkommt. Der sagte bereits am Dienstagabend nach Gesprächen mit seinem polnischen Amtskollegen Mateusz Morawiecki, man sei nur noch "einen Zentimeter" von einer Lösung entfernt. Ungarn wertet den Kompromiss als Erfolg. "Wir haben gerade erfahren, dass Ungarns Zugang zu EU-Mitteln nicht mit politischen oder ideologischen Bedingungen verknüpft werden kann", erklärte Außenminister Peter Szijjarto am Mittwochabend auf Facebook.

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