Reaktionen auf die Eroberung von Tripolis:"Die Zukunft Libyens liegt in den Händen des Volkes"

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Libyen steht vor einem historischen Zeitenwechsel - die Welt blickt nach Tripolis. US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Merkel fordern Gaddafi zum sofortigen Machtverzicht auf. Verteidigungsminister de Maizière schließt nach dem Ende des Regimes den Einsatz deutscher Soldaten in Libyen nicht mehr aus.

Monatelang tobte in Libyen der Bürgerkrieg, doch jetzt steht das Land vor einem historischen Zeitenwechsel, die 42-jährige Herrschaft von Machthaber Muammar al Gaddafi steht offenbar kurz vor dem Zusammenbruch - und die Welt blickt nach Tripolis.

Ende des Gaddafi-Regimes
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US-Präsident Barack Obama sieht Libyen vor dem Wendepunkt. Das Land entgleite dem "Griff eines Tyrannen", das Regime zeige Anzeichen des Zusammenbruchs, erklärte Obama in Washington.

Der sicherste Weg, um das Blutvergießen zu beenden, sei einfach: "Muammar al Gaddafi und sein Regime müssen erkennen, dass ihre Herrschaft zu einem Ende gekommen ist." Gaddafi müsse einsehen, dass er Libyen nicht länger kontrolliere. "Er muss ein für alle Mal die Macht aufgeben."

In dieser historischen Zeit müsse der nationale Übergangsrat der Rebellen die notwendige Führungsstärke zeigen, um das Land durch die Phase des Übergangs zu steuern. Dabei müsse er zivile Opfer vermeiden, die staatlichen Institutionen schützen und einen Übergang zur Demokratie sicherstellen. "Die Zukunft Libyens ist nun in den Händen des libyschen Volkes", betonte Obama.

Die Vereinigten Staaten würden sich weiter eng mit dem Übergangsrat abstimmen. Washington werde weiter darauf bestehen, dass die Grundrechte des libyschen Volkes respektiert würden. "Und wir werden weiterhin mit unseren Alliierten und Partnern in der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um das libysche Volk zu beschützen und einen friedlichen Übergang zur Demokratie zu unterstützen."

Ähnlich äußerte sich die britische Regierung. "Die Ereignisse in Tripolis machen deutlich, dass Gaddafis Ende nahe ist", teilte Premierminister David Cameron mit. Gaddafi habe unglaubliche Verbrechen am eigenen Volk begangen. "Er muss nun gehen, damit die Bevölkerung nicht noch mehr leidet." Eine Nato-Sprecherin bezeichnete die Lage in Tripolis als unübersichtlich und rief Gaddafi ebenfalls zum Rücktritt auf. "Wir können erkennen, dass sich das Regime auflöst", sagte sie. Je schneller Gaddafi realisiere, dass er den Krieg gegen das eigene Volk nicht gewinnen könne, desto besser sei dies.

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Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprachen sich für Gaddafis baldigen Rücktritt aus. Angesichts des Vorrückens der Rebellen in der Hauptstadt Tripolis sagte Westerwelle in Berlin: "Die Zeit des Diktators ist vorbei." Gaddafi solle jetzt von sich aus gehen, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Dem libyschen Übergangsrat sagte er deutsche Unterstützung beim Wiederaufbau der Wirtschaft sowie beim Übergang in die Demokratie zu. Über einen Bundeswehreinsatz etwa zur Absicherung humanitärer Hilfe zu diskutieren, sei zu früh.

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Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte in der Nacht in Brüssel: "Das Gaddafi-Regime bröckelt eindeutig." Rasmussen forderte Gaddafi und seine Truppen auf, die Macht niederzulegen. "Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ein neues Libyen zu schaffen - einen Staat, der auf Frieden beruht, nicht auf Angst; Demokratie, nicht Diktatur; dem Willen aller, nicht den Launen weniger."

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte den Nationalen Übergangsrat Libyens zur Wahrung der Menschenrechte beim Wiederaufbau des Landes auf. "Wir erleben die letzten Tage des Gaddafi-Regimes", heißt es in einer Erklärung Ashtons. Sie forderte Gaddafi auf, "ohne Verzögerung zurückzutreten und weiteres Blutvergießen zu vermeiden".

Auch die australische Ministerpräsidentin Julia Gillard erklärte, Gaddafi solle sich dem Willen seines Volkes nicht länger in den Weg zu stellen. Australien werde Libyen auf dem Weg zu Frieden und Demokratie unterstützen. Die Regierung in Canberra gehörte zu den ersten, die die Umsetzung einer Flugverbotszone über Libyen forderten, nachdem Gaddafis Truppen gewaltsam gegen Regierungsgegner vorgegangen waren.

Die Bundesregierung hatte sich an dem Nato-Einsatz nicht beteiligt, jetzt schließt Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) einen Einsatz deutscher Soldaten zur militärischen Stabilisierung Libyens nicht mehr aus - nach dem Ende des Gaddafi-Regimes. "Wenn es Anfragen an die Bundeswehr gibt, werden wir das konstruktiv prüfen", sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post. Die Bundesregierung setze jedoch darauf, dass Libyen "in einer Zeit nach Gaddafi" aus eigener Kraft einen stabilen Staat aufrechterhalten könne, sagte der Minister weiter. Am derzeitigen Einsatz der Nato zum Schutz der libyschen Bevölkerung ist Deutschland nicht direkt beteiligt. Allerdings wurden deutsche Soldaten in einem auch für den Libyen-Einsatz zuständigen Nato-Stab in Italien eingesetzt.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) rief den libyschen Übergangsrat in Bengasi nach der Verhaftung von Saif al-Islam dazu auf, den Gaddafi-Sohn nach Den Haag zu überstellen. Schon an diesem Montag wolle man darüber verhandeln, wie die Auslieferung ablaufen könnte, sagte der Staatsanwalt Luis Moreno-Ocampo dem US-Sender CNN. Der nationale Übergangsrat setzt aber offenbar darauf, die Verantwortlichen in Libyen vor Gericht zu stellen. Dazu habe Libyen das volle Recht, betonte der frühere Botschafter des Landes in den USA, Ali Aujali, der inzwischen für den Übergangsrat spricht, im Sender al Dschasira.

Gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam und seinen Schwager, den Geheimdienstchef Abdullah Senussi, liegen internationale Haftbefehle vor. Ihnen werden schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/dapd/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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