Razzien bei deutschen Nichtregierungsorganisationen:Westerwelle bittet russischen Gesandten zum Gespräch

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Offiziell geht es um Software-Lizenzen, doch deutsche Politiker vermuten Schikane dahinter: Russische Ermittler haben bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Petersburg Computer beschlagnahmt. CDU und Grüne warnen vor einer Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen - und der deutsche Außenminister Westerwelle schaltet sich ein.

Bisher handelte es sich um Routine-Überprüfungen, jetzt geht die russische Staatsanwaltschaft gegen die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) einen Schritt weiter - mit zweifelhafter Begründung: Im Zuge des Vorgehens gegen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) seien russische Beamte am Dienstagmorgen in den Büros der Stiftung in Sankt Petersburg erschienen und hätten Computer beschlagnahmt, teilte die KAS mit. Zur Begründung habe es von russischer Seite geheißen, die Lizenzen für die verwendete Software sollten überprüft werden.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte solche "konzertierten Aktionen" als nicht akzeptabel kritisiert - und einen Gesandten der russischen Botschaft in das Auswärtige Amt zum Gespäch gebeten. Ihm sei "die Besorgnis der Bundesregierung übermittelt" worden, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. "Eine Behinderung der Tätigkeit der deutschen Stiftungen könnte die bilateralen Beziehungen nachhaltig belasten."

"Der Eingriff von heute morgen ist besorgniserregend und in keiner Weise zu akzeptieren", erklärte der KAS-Vorsitzende Hans-Gert Pöttering. "Diese Behinderung unserer Arbeit kann auch zu einer Belastung unserer Beziehungen mit Russland führen." Die KAS befürchte, dass sich die Interventionen der russischen Behörden auch auf die Arbeit ihrer Partnerorganisationen vor Ort auswirkten, fügte der ehemalige Präsident des Europaparlaments hinzu.

"Deutsche politische Stiftungen und russische Nichtregierungsorganisationen leisten einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit", erklärte Pöttering. "Jede Behinderung ihrer Arbeit schädigt die demokratische Entwicklung."

Nichtregierungsorganisationen als "ausländische Agenten"

Laut SZ-Informationen war das KAS-Büro in Sankt Petersburg bereits zuvor von der Staatsanwaltschaft aufgesucht worden, ebenso wie die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau. Die russischen Behörden gehen seit Tagen gegen hunderte NGOs vor. Am Montag erschienen Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Steuerbehörden unter anderem im Moskauer Büro der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai).

Im vergangenen Jahr war in Russland ein neues Gesetz in Kraft getreten, nach dem sich Organisationen mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland in ein Register "ausländischer Agenten" eintragen müssen. Das lehnen verschiedene Organisationen ab. Sie befürchten, als Spione gebrandmarkt zu werden.

Der Leiter des Moskauer Büros der Heinrich Böll Stiftung, Jens Siegert, sagte: "Alle unsere russischen Partnerorganisationen sind betroffen." Siegert kritisierte dies als "Versuch einer Einschüchterung". Die Kontrollen erledigten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, des Justizministeriums und der Steuerpolizei. Juristen berichteten inzwischen von mehr als 40 betroffenen Organisationen in ganz Russland.

"Alarmierendes Zeichen großer Nervosität und Schwäche"

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warnt: Die Beschlagnahme von Computern der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) sei inakzeptabel. Die politischen Stiftungen aus Deutschland leisteten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung demokratischer Strukturen, zum Aufbau von Rechtsstaatlichkeit und zur Förderung der Zivilgesellschaft. "Wer diese Arbeit behindert, nimmt in Kauf, dass sich das deutsch-russische Verhältnis verschlechtert."

Am Rande eines Besuches in Peking sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), das Vorgehen der russischen Behörden "stößt bei uns auf völliges Unverständnis". Die Adenauer-Stiftung verhalte sich "rechtskonform". Die Durchsuchungen sollten die Zivilgesellschaft in Russland verunsichern. "Das können wir in keiner Weise akzeptieren." Es sei "kein gutes Zeichen", sagte Kauder. Er verfolge die Lage der Nichtregierungsorganisationen in Russland "mit großer Sorge".

Grünen-Chefin Claudia Roth sprach von Schikanen und nannte es ein alarmierendes Zeichen großer Nervosität und Schwäche des Kremls, wenn er meine, das stärker gewordene zivilgesellschaftliche Engagement in Russland unterdrücken zu müssen.

Deutschland und die EU müssten die Repressionen und insgesamt die Frage demokratischer Rechte gegenüber Russland viel deutlicher zur Sprache bringen, sagte Roth weiter. Die Verwendung des Begriffs "ausländische Agenten" wie in einem Gesetz zu den NGO habe in der russisch-sowjetischen Geschichte brutalste Verfolgungen und Hinrichtungen zur Folge gehabt. "Es ist hochgradig alarmierend, wenn die russische Regierung begrifflich an solche Zeiten anknüpft."

© Süddeutsche.de/afp/dpa/mahu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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