Abraham-Geiger-Kolleg:"Zutiefst schockiert"

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"Meine Tür ist immer offen": Interims-Chefin Gabriele Thöne fordert alle im Seminar auf, ihre Kritik zu äußern. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Die Interimsdirektorin des Potsdamer Rabbinerseminars verspricht nach den Vorwürfen sexueller Belästigung umfassende Aufklärung. Der im Zentrum der Kritik stehende Rektor Walter Homolka bekommt nun Unterstützung von den Studierenden.

Der Konflikt um Vorwürfe sexueller Belästigung und von Machtmissbrauch am Abraham-Geiger-Kolleg setzt sich unvermindert fort. Kolleg-Interimsdirektorin Gabriele Thöne sicherte am Mittwoch in Potsdam eine umfassende Aufklärung zu. Dazu gehöre eine Neustrukturierung des Kollegs und mehr Transparenz.

Im Zentrum der Kritik steht der Gründer des Kollegs, Rabbiner Walter Homolka. Ihm wird Machtmissbrauch vorgeworfen. Thöne erklärte vor Journalisten, sie werde sich zunächst umfassend informieren, mit Mitarbeitern und Studierenden sprechen und dann handeln. "Wer Kritik hat, ist aufgerufen, sie zu nennen", so Thöne. "Meine Tür ist immer offen." An dem liberalen Abraham-Geiger-Kolleg werden seit 1999 Rabbiner für jüdische Gemeinden ausgebildet. Das Institut für Jüdische Theologie ist Teil der Universität Potsdam.

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Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung von Studierenden richten sich gegen einen früheren Dozenten des Kollegs und die Kritik am Umgang damit gegen den bisherigen Rektor, Rabbiner Walter Homolka. Dieser übt seit Medienberichten über den Skandal seine Ämter und Aufgaben in der jüdischen Gemeinschaft bis zur Klärung des Sachverhalts nicht aus. Alles Engagement finde auch "Gegner, denen nicht gefällt, was man bewegt", hatte Homolka erklärt. "Ich bin in meinen Aufgaben immer bestrebt, das Richtige zu tun, und davon überzeugt, mich auch hier richtig verhalten zu haben." Laut Zeitungsberichten handelt es sich bei dem früheren Dozenten um den Ehemann von Homolka.

Bisher sind vier Verdachtsfälle bekannt

Ihr seien bisher vier Verdachtsfälle von sexueller Belästigung oder Machtmissbrauch bekannt, "aber ob das die absolute Anzahl ist, wissen wir nicht", so Thöne. Die Aufklärung sei im Fluss, die Zahl könne "sich entwickeln".

Der Rabbiner Edward van Voolen, der zum neuen Führungsteam am Institut gehört, erklärte: "Ich bin zutiefst schockiert über die aktuellen Ereignisse und distanziere mich in aller Form von solchen Vorgängen." Dies entspreche "in keiner Weise den ethischen Grundlagen, die für eine jüdische Ausbildungsstätte unabdingbar sind". Eine erfolgreiche Aufklärung sei im Interesse eines liberalen Judentums weltweit.

"Herabwürdigende Vorwürfe" gegen Homolka

Unterdessen veröffentlichten Absolventen der Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner einen offenen Brief, in dem sie ihr Institut verteidigen. Die Union progressiver Juden kritisierte die Berichterstattung der Zeitung Die Welt, die zuerst über die Vorwürfe berichtet hatte, als "herabwürdigend". Man verwahre sich gegen die "Vorverurteilungen und bizarren Anwürfe" gegen Homolka. Auch zahlreiche Absolventen des Kollegs verteidigten in einem Schreiben, das Die Zeit veröffentlichte, ihre Ausbildungsstätte, ohne den Namen des Gründers Homolka zu nennen: Das Kolleg habe "eine Möglichkeit geschaffen, auch für Frauen, für Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und für zum Judentum Übergetretene diesen Beruf erfolgreich zu erlernen und auszuüben". Sie wollten "das Abraham-Geiger-Kolleg in diesen Zeiten unterstützen".

Der Zentralrat der Juden hat eine Kölner Kanzlei mit der Prüfung der Vorgänge beauftragt. Sie wird im Kolleg und in anderen Institutionen Verantwortungsträger und Mitarbeiter sowie potenzielle Opfer oder andere Betroffene befragen. Mit Ergebnissen sei um den Jahreswechsel 2022/2023 zu rechnen, hieß es.

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