Die Proteste gegen das Herrscherhaus von Bahrain sind am Freitag bei der Beerdigung von vier am Vortag getöteten Schiiten in revolutionäre Stimmung umgeschlagen. Während es bei den friedlichen Kundgebungen Anfang der Woche um die Verbesserung der sozialen Lage der Schiiten ging, riefen nun Zehntausende in den Trauerzügen: "Tod den Chalifas!" - ein frontaler Angriff auf die sunnitische Königsfamilie. Die Polizei eröffnete das Feuer auf die Demonstranten. Dabei wurden dutzende Menschen verletzt.
Der einflussreichste Geistliche der Insel, Scheich Issa Kassem, sagte in seiner Freitagspredigt, durch das "Massaker", das die Polizei am Vortag an unbewaffneten Gläubigen verübte, habe die Regierung die "Tür zum Dialog geschlossen". Einschließlich der vier Toten von Donnerstag sind bei der Unterdrückung der Proteste bisher sechs Menschen getötet und mehr als 230 verletzt worden. Ein Chirurg in der Hauptstadt Manama sagte der New York Times, das Gesundheitsministerium habe Krankenwagen daran gehindert, zum Perlenplatz zu fahren, dem zentralen Demonstrationsort, den die Polizei in der Nacht zum Donnerstag mit Schusswaffen von schlafenden Demonstranten geräumt hatte. Ein Arzt und ein Sanitäter, die den Verletzten Hilfe brachten, seien geprügelt worden.
Der Gesundheitsminister Feisal al-Hamar trat zurück, nachdem Ärzte gegen ihn demonstriert hatten. Der Chef der führenden schiitischen Oppositionsgruppe Wefak, Scheich Ali Salman, sagte in einem der Trauerzüge: "Jetzt muss sofort die Regierung abgelöst werden. Wenn ihr diese Art von Gewalt gebraucht, verliert ihr. Das Volk hört nicht auf, seine Rechte zu verlangen." Eine Sondersitzung des Parlaments wurde von den Wefak-Abgeordneten zuletzt boykottiert. Bei den Wahlen im vorigen Jahr erhielt Wefak 18 der 40 Mandate. Die Abgeordneten haben bereits mit ihrem Rücktritt gedroht. Ein anderer führender Oppositionspolitiker, Abdel Wahab Hussein, verlangte eine neue Verfassung, den Rücktritt der Regierung und einen Prozess gegen den Innenminister.
"Revolution bis zum Sieg!", rief am Freitag die Menge in Manama. "Früher haben wir verlangt, dass der Premierminister geht. Heute wollen wir, dass die herrschende Familie verschwindet", sagte ein Demonstrant. Ein Hubschrauber kreiste über der Menge, gepanzerte Fahrzeuge beherrschten die Straßen der Hauptstadt Manama und die Zufahrten zu den schiitischen Dörfern. Bei der Niederschlagung der Proteste stellte die Armee ein eindrucksvolles Arsenal zur Schau: 180 Panzer, 270 Panzerwagen, 22 F-16-Kampfflugzeuge, 16 Cobra-Helikopter.
Derartige Waffen können kaum dazu bestimmt sein, den Kleinstaat mit seinen schätzungsweise 800.000 Einwohnern vor einer eventuellen iranischen Invasion zu schützen. Das täten im Notfall die Amerikaner, die auf Bahrain zum Unterhalt ihrer Basis für die Fünfte Flotte 6000 Mann stationiert haben. Der große Nachbar und Verbündete Saudi-Arabien stellt ohnehin keine Bedrohung dar. Spätestens seit dieser Woche ist klar, dass Panzerwagen in erster Linie zur Niederhaltung eines Volksaufstandes geeignet sind. Während der vergangenen acht Jahre wurde Bahrain mit 100 Millionen Dollar Militärhilfe aufgerüstet. Dieses Jahr stellen die USA abermals 19 Millionen Dollar zur Verfügung.
Die stark benachteiligten bahrainischen Schiiten sind die Stammbevölkerung der Insel. Die sunnitische Minderheit kam erst im 18. Jahrhundert mit dem Herrscherhaus der Chalifa, das den sunnitischen Anteil durch Einbürgerung aus anderen Ländern zu erhöhen sucht. Die Vorfahren der Schiiten Bahrains kamen nicht aus Iran, sondern aus dem heutigen Irak. Auch theologisch orientieren sich die Insel-Schiiten überwiegend nach dem irakischen Nadschaf, nicht nach dem iranischen Ghom. Für die Mehrheit ist Ayatollah Ali Sistani in Nadschaf die höchste Autorität. Jede Besserstellung von Bahrains Schiiten enthält politische Brisanz, denn die unterdrückten schiitischen Glaubensbrüder in der saudischen Erdölprovinz Hasa sind ihre Verwandten. Es lag deswegen nahe, dass sich Vertreter des Golf-Kooperationsrates in Saudi-Arabien versammelten, um die Haltung des bahrainischen Regimes zu unterstützen. Ein Communiqué spricht vage von möglichen ausländischen Unruhestiftern - doch für iranische Mitwirkung, die gemeint sein dürfte, gibt es keinerlei Anzeichen. Vor seinem Sturz hatte der letzte Schah Ansprüche auf Bahrain erhoben. Sie wurden vor wenigen Jahren von einigen Ultras des islamischen Regimes erneuert, was zu einer Krise in den Beziehungen führte. Doch das Regime in Teheran hat sich stets von solchen Forderungen distanziert.