Proteste:Amerika kommt nicht zur Ruhe

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In Wisconsin eskaliert die Gewalt. Ein 17-Jähriger wird nach Schüssen auf Demonstranten festgenommen.

Von Christian Zaschke, New York

Auch in der Nacht zum Donnerstag haben wieder Hunderte Menschen auf den Straßen von Kenosha, Wisconsin, demonstriert. Seit am Wochenende in der Stadt der Schwarze Jacob Blake von einem weißen Polizisten sieben Mal in den Rücken geschossen wurde, war es Nacht für Nacht zu Protesten und teils gewaltsamen Ausschreitungen gekommen, bei denen zwei Menschen erschossen wurden. Blake liegt schwer verletzt im Krankenhaus, er ist von der Hüfte abwärts gelähmt. Josh Kaul, der Generalstaatsanwalt von Wisconsin, sagte, er fürchte, die Ereignisse von Kenosha könnten ein zentrales Thema für den Wahlkampf in den USA werden. "Es ist leicht für Politiker, Spaltung zu schüren", sagte er, "aber wir müssen zusammenfinden, wenn wir unsere Strafverfolgungsbehörden verbessern wollen, nach Gerechtigkeit suchen und unseren Gemeinschaften beistehen." Die beiden Männer, die in der Nacht zum Mittwoch erschossen wurden, hat die Polizei noch nicht offiziell identifiziert, wohl aber den Schützen. Es handelt sich um den 17 -jährigen Kyle Rittenhouse, der aus der 35 Kilometer entfernten Kleinstadt Antioch im benachbarten Bundesstaat Illinois angereist war. Nach Beginn der Proteste am Sonntag waren Anfang der Woche teils schwer bewaffnete Zivilisten in der 100 000-Einwohner-Stadt aufmarschiert. Sie wollten nach eigenen Angaben der Polizei zur Seite stehen. Rittenhouse war einer von ihnen. Der Hergang der tödlichen Nacht lässt sich durch Handy-Videos rekonstruieren. Demnach stand Rittenhouse erst mit anderen Männern an einer Tankstelle, um diese zu bewachen. Er verließ die Gruppe später und geriet in eine Konfrontation mit Demonstranten, mutmaßlich, weil er mit einem AR-15-Sturmgewehr bewaffnet war. Auf einem Video ist zu sehen, wie Rittenhouse, verfolgt von Demonstranten, eine Straße entlangläuft, sich umdreht und schießt. Dann wollte er sich offenbar der Polizei ergeben, die ignorierte ihn aber. Mittlerweile ist Rittenhouse in Antioch festgenommen und in Wisconsin angeklagt. In den sozialen Medien präsentiert sich Rittenhouse als glühender Anhänger der Polizei und Unterstützer Donald Trumps. Der Präsident hatte sich zunächst nicht zu Jacob Blake geäußert. Sein demokratischer Rivale Joe Biden sprach Blakes Familie in einem Telefongespräch sein Mitgefühl aus.

Biden warf Trump im Sender MSNBC vor, die Gewalt aus politischem Kalkül anzufachen: "Er hofft auf mehr Gewalt, nicht auf weniger Gewalt." Wisconisns Gouverneur Tony Evers teilte mit, dass die Zahl der Nationalgardisten in der Stadt auf 500 steigen werde. Diese sollten die Polizei unterstützen. In der Nacht zum Donnerstag hielten sich die Polizei und Nationalgardisten offenbar bewusst zurück. Die Proteste verliefen friedlich.

Die Schüsse auf Jacob Blake ziehen Kreise im ganzen Land. Eines der deutlichsten Zeichen setzten Teile des Profisports: Aus Protest gegen Polizeigewalt sagten unter anderem die Basketball-Ligen ihre Spiele und die Baseball-Liga vorerst ab.

© SZ vom 28.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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