Protest gegen Kirche:Pfarrer fordern Abendmahl für Geschiedene

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Hunderte Geistliche widersetzen sich dem Papst: Sie verlangen, dass auch Geschiedene vollwertige Gemeindemitglieder sein dürfen - mit offizieller Erlaubnis. Bislang stößt die Forderung bei Kirchenoberen auf Unmut, damit ignorieren sie aber die Realität.

Matthias Drobinski

Mehrere hundert katholische Pfarrer und Diakone in Deutschland setzen sich dafür ein, dass ihre Kirche Geschiedene, die wieder geheiratet haben, nicht mehr wie bisher von den Sakramenten ausschließt. Fast 200 Geistliche aus dem Erzbistum Freiburg haben sich mittlerweile einer im Internet veröffentlichten Erklärung angeschlossen, in der es heißt: "In unseren Gemeinden gehen wiederverheiratete Geschiedene mit unserem Einverständnis zur Kommunion. Sie sind tätig im Pfarrgemeinderat und in anderen Diensten."

Auch die Mitglieder der "Priester und Solidaritätsgruppen in Deutschland" sowie der "Aktionsgemeinschaft von Priestern und Diakonen" in der Diözese Rottenburg-Stuttgart haben erklärt, sich nicht mehr an die Vorschrift der Kirche halten zu wollen, wonach Geschiedene, die wieder heiraten, in fortgesetzter Sünde leben und deshalb von den Sakramenten ausgeschlossen sind. In Österreich haben sich mittlerweile mehr als 300 Pfarrer einem vergleichbaren "Aufruf zum Ungehorsam" angeschlossen.

Es könne nicht sein, dass in der Kirche Mord vergeben werden könne, aber die Heirat nach einer Scheidung eine fortwährende Sünde bleibe, sagte der Karlsruher Pfarrer Dieter Nesselhauf, einer der Initiatoren des Freiburger Aufrufs. "Es gehen zudem zahlreiche wiederverheiratete Geschiedene seit vielen Jahren in den Gemeinden zur Kommunion - nur öffentlich sagen darf man dies nicht".

Dies sei eine "unerträgliche Doppelmoral". Das Evangelium und das Gebot der Barmherzigkeit müssten höher stehen als das Kirchenrecht, fügte Nesselhauf hinzu. Dass sich in so kurzer Zeit so viele Pfarrer der Initiative angeschlossen hätten, sei ein Zeichen, wie tief die Krise der katholischen Kirche mittlerweile sei.

In einem Brief an alle Pfarrer des Erzbistums hat der Freiburger Generalvikar Fridolin Keck die Geistlichen aufgefordert, den Aufruf nicht zu unterzeichnen. Zwar teile man "die Grundintention, für die wiederverheirateten Geschiedenen neue Möglichkeiten der Beheimatung in unserer Kirche zu eröffnen". Jedoch seien Verstöße gegen das Kirchenrecht "kontraproduktiv"; auch könne das Erzbistum "keine generelle und undifferenzierte Praxis billigen, die eigenmächtig gegen Vorgaben der Weltkirche verstößt". Zollitsch kündigte aber an, dass er sich am kommenden Donnerstag mit den Initiatoren des Aufrufs treffen werde; die Pfarrer werten dies als "gutes Zeichen", wie Nesselhauf sagte.

Auf den Brief aus dem Ordinariat hin haben lediglich zwei Pfarrer ihre Unterschrift zurückgezogen.

© SZ vom 16.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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