Propaganda im syrischen Staatsfernsehen:Phantom vor der Kamera

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Niemand kennt seinen Namen, doch seine Botschaft ist deutlich: Im syrischen Staatsfernsehen taucht nach Berichten der "New York Times" scheinbar zufällig immer wieder ein und derselbe Mann auf, um über die Aufständischen zu schimpfen.

Männlich, ungefähr Mitte 40, sportlich, angegrauter gestutzter Bart. Kleidung: wahlweise Armeeuniform, Anzug oder einfach nur Jeans und T-Shirt. Ein Phantom geht um im syrischen Staatsfernsehen. Ob bei Demonstrationen oder nach Bombardements, es ist immer da, um medienwirksam über die Aufständischen zu schimpfen. Wie die New York Times in einem ihrer Blogs berichtet, tauchte es zuletzt nach einem Bombenanschlag in Damaskus auf, bei dem mindestens 83 Menschen getötet wurden:

"A man emerged from a small knot of bystanders crowded around a camera crew from Syrian state television to vent his anger at the foreign Islamist fighters he held responsible. 'We the Syrian people', he said, 'place the blame on the Nusra Front, the Takfiri oppressors and armed Wahhabi terrorists from Saudi Arabia that are armed and trained in Turkey.'"

Die New York Times hat den unbekannten Mann "Syrian Television´s most outraged Bystander" getauft, zu deutsch etwa: der empörteste Schaulustige im Syrischen Fernsehen. Denn seit Beginn des Aufstands gegen Baschar al-Assad ist er mehrmals im Fernsehen aufgetaucht, entweder als Gesprächspartner oder als scheinbar unbeteiligter Schaulustiger im Hintergrund. Die New York Times hatte bereits vor Monaten über den Mann berichtet, der an einem Tag gleich in zwei Berichten vorkam und zwar als Teilnehmer einer Pro-Assad-Kundgebung.

Im Juni vergangenen Jahres veröffentlichten Aktivisten einen Zusammenschnitt von verschiedenen Fernsehberichten in denen der Unbekannte insgesamt 18 Mal zu sehen war, auch in einem Beitrag der britischen BBC.

Seitdem scheint er nicht mehr im syrischen Staatsfernsehen aufgetaucht zu sein. Zumindest gibt es keine im Netz verfügbaren Aufnahmen. Bis zu dem Tag des Bombenanschlags in Damaskus vor wenigen Tagen. Der syrische Schriftsteller Rime Allaf twitterte nach dem Fernsehcomeback:

Eine Followerin antwortete:

Wie der Mann heißt und ob er für seine Auftritte Geld bekommt, ist bis heute nicht bekannt. Neu ist diese Art von Propaganda nicht. Wie die New York Times berichtet, gab es auch während der Präsidentschaftswahlen in Iran 2009 ein ähnliches Phänomen:

"Opposition bloggers noticed that one particularly die-hard supporter of Mahmoud Ahmadinejad also appeared again and again and again in photographs of pro-government rallies."

Doch es geht auch andersrum: Im Dezember 2010 bekamen die zahlreichen Menschen, die in Griechenland gegen die heftigen Sparmaßnahmen demonstrierten, unfreiwillige Unterstützung. In der vordersten Reihe marschierte ein Hund. Er kläffte die Polizisten an, Youtube-Videos zeigen, wie er trotz Wasserwerfer und Rauch nicht von der Seite der Demonstranten weicht. Sein Name ist bekannt: "Loukanikos", übersetzt "Würstchen". Als "Riot Dog" schaffte er es in zahlreiche Medien und wurde er zum Symbol des Widerstands.

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