Projekt Nürburgring:Illusionen statt Millionen

Lesezeit: 4 min

Projekt Nürburgring: Wie der Mainzer Finanzminister Ingolf Deubel sein Amt und seinen soliden Ruf durch einen zweifelhaften Finanzjongleur verloren hat.

C. Hickmann; P.-A. Krüger und H. Leyendecker

Es ist der Morgen danach. Der 8. Juli. Der Morgen nach der Bekanntgabe des Rücktritts. Wie fast jeden Tag ist der Mainzer Finanzminister Ingolf Deubel früh ins Büro gefahren, denn vermutlich ist er noch bis Freitag geschäftsführend im Amt. Er hat Telefonate geführt, mit Mitarbeitern gesprochen, sie haben über die Angelegenheit geredet, über die sie schon so oft geredet haben, aber eine zufriedenstellende Antwort haben sie auch diesmal nicht gefunden.

Ingolf Deubel muss seinen Hut nehmen. (Foto: Foto: dpa)

Es ist ja auch keine einfache Frage: Wie konnte einer der anerkanntesten Finanzpolitiker der Republik, ein knüppelharter und sehr ehrgeiziger Arbeiter, ein gleichwohl biederer Typ, dem man allenfalls ein Festgeldkonto bei der Sparkasse zutraut, in ein schwindelerregendes Millionenspiel geraten, dessen Regeln von Illusionskünstlern bestimmt haben?

Ein Schweizer Finanzmakler

Bei der Suche nach einer Antwort kommt der Mai 2008 ins Gespräch. Damals tauchte im Tross einer Delegation im Ministerium ein Schweizer Finanzmakler auf, der Urs Barandun heißt und nicht vorbestraft ist, was heutzutage in diesem Metier schon eine Empfehlung sein kann.

Er besuchte Deubel, weil der Sozialdemokrat auch Aufsichtsratsvorsitzender der Nürburgring GmbH ist. Barandun sprühte vor Ideen und versprach, bei der Finanzierung eines Erlebnis- und Businessparks "Nürburgring 2009" zu helfen. Er habe Verbindungen zu einflussreichen und wirklich reichen Leuten. Gut ein Jahr später beugt sich Deubel über Schecks aus den USA, die möglicherweise falsch sind und liest E-mails mit eingescannten Unterschriften, die vermutlich auch nicht echt sind.

Die Reputation des langgedienten Finanzfachmanns ist dahin. Um im Bild dieses Eifelkrimis zu bleiben: Einer, der politisch immer unfallfrei gefahren ist, hat auf freier Strecke einen Totalschaden hingelegt. Sein Chef, Ministerpräsident Kurt Beck, sagte am Mittwochnachmittag, er habe Deubel Fragen gestellt und "Antworten bekommen, die plausibel waren". Die Trennlinie ist klar gezogen. Andererseits ist der Fall ist noch weit schwieriger als die an der Nürburg gelegene Rennstrecke mit ihren 89 Links- und 85 Rechtskurven.

Es sah zunächst nach einer genialen Idee aus, wie das Investment in dreistelliger Millionenhöhe zu stemmen sei. Manager der luxemburgischen Pinebeck S.A. wollten einen Teil mit Fonds bestreiten, die wiederum mit Lebensversicherern zusammenarbeiten. Investoren kaufen US-Bürgern, die ihre Lebensversicherung nicht mehr zahlen können oder wollen, die Policen ab und kassieren später die Ausschüttungen. Senior Life Settlements heißt das in Fachkreisen.

Erkundigungen eingezogen

Deubel erkundigte sich, ob solche Modelle ethisch korrekt und auch profitabel seien und bekam von mehreren Seiten die Antwort: Frage eins: Ja. Frage zwei: Die Rendite liege zwischen sieben und dreizehn Prozent. Pinebeck sollte die Immobilien an der Nürburg kaufen und dann wieder vermieten, und bei allen Berechnungen kam heraus, dass diese Finanzierung am Ende um mindestens 50 Millionen Euro günstiger wäre als ein normales Bankdarlehen. Das Problem war nur: So sehr sich die Firma auch mühte, sie bekam das Paket nicht zusammen, auch weil sie keine Finanziers fand.

Für den Aufsichtsratsvorsitzenden Deubel war das unangenehm und für den Politiker Deubel peinlich. Alle redeten nur über die private Lösung, und die kam nicht. Da betrat voriges Frühjahr Barandun die Szene, gelernter Ingenieur und schillernder Geschäftsmann. Das Beste, was sich über ihn in Erfahrung bringen lässt, ist seine Zeit als Tourismus-Direktor in Flims. Wenn es schneite, war in dem Wintersportort Hochsaison. Ansonsten hatte er mit diversen Projekten Schiffbruch erlitten. Er verlor viel Geld - und die Investoren auch.

In Erinnerung ist manchem Schweizer noch sein Engagement bei der Aqua Engiadina SA in Scuol in Graubünden, die Schweizer Mineralwasser in den Orient verkaufen sollte. Die Gemeinde hatte den Wasserhändlern eine Konzession erteilt, aus dem Projekt wurde dann doch nichts.

Mysteriöse Manöver

Finanzminister Deubel wusste von alledem nichts. Merkwürdig war nur, dass Barandun darauf drängte, es müsse ein Bar-Depot mit 95 Millionen Euro bei einer Bank hinterlegt werden, damit die künftigen Investoren auch von der Solidität des Landes erführen. Seine Hausbank sei übrigens die Liechtensteinische Landesbank. Anwälte stellten sicher, dass Barandun keine Konto-Vollmacht bekam und nicht einmal einen Kontoauszug erhalten durfte.

Warum dieses Manöver? Wollte Barandun bei anderen Geschäften auf das pralle Konto verweisen? Deubel beriet sich mit den Spezialisten, und die meinten, das sei nicht möglich. Barandun fand keinen Investor, im Herbst wurde das Geld wieder abgezogen. In Mainz spottete die Opposition über den Minister. Deubel wurde immer nervöser.

Dann meldete sich vor ein paar Monaten Barandun erneut. Angeblich hatte er einen reichen Investor an der Angel. Ganz sicher. Deubel hörte den Namen und war sehr angetan. Geheimsache. Der große Unbekannte, verriet er nur, sei nicht ganz so berühmt wie Obama, aber schon von beträchtlicher Prominenz. "Da es Obama nicht ist, haben wir immer schon einmal gerätselt, ob das Siegfried und Roy sein könnten", spottete ein Abgeordneter der Opposition in einer Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr.

Deubel ließ sie spotten und verriet nicht mal Ministerpräsident Beck, um wen es sich handle. Wieder wurde ein Konto mit 95 Millionen Euro zum Vorzeigen aufgefüllt. Diesmal bei einer Schweizer Bank. Deubel ersehnte die Wunderwaffe, den Retter. Wenn er Baranduns Wassergeschichte gekannt hätte, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass die Retter manchmal ausbleiben. Damals war in Scuol ein Scheich als Finanzier angekündigt worden, doch er kam nicht.

Geheimnisvolle Gelder

Der geheimnisvolle Mann, der das Nürburgring-Projekt voranbringen sollte und dessen Name fast bis zum Rücktritt Deubels geheime Kommandosache war, soll Pierre S. duPont heißen, ein Spross aus der ebenso reichen wie berühmten Industriellen-Dynastie. "Monsieur Dupont" hieß ein Schlager in den sechziger Jahren, den Manuela sang.

Der angebliche Herr duPont schickte E-Mails, die komisch formuliert waren. Ein Kontoauszug über 138 Millionen Euro bei der Wells Fargo Bank in London wurde auch eingereicht und dann vorige Woche zwei Schecks über insgesamt 100 Millionen Dollar. Doch die Schecks waren, auf den ersten Blick jedenfalls, nicht gedeckt, und der Direktor der Bank, der in London den Fall aufklären sollte, ist leider in Urlaub. Ob duPont V. wirklich den Nürburgring kennt? Pierre S. duPont V. ist unter anderem Partner der Investmentfirma Occom mit Sitz in Boston. John E. Seni, ein anderer Partner der Firma, sagte der SZ, er habe mindestens seit zwei Monaten nicht mit duPont gesprochen. Vermutlich sei er auf Reisen. Bei der Firma Two Sigma Investments in New York, für die duPont Projekte betreut, sagte eine Angestellte, er sei bis 20. Juli nicht zu erreichen.

Alle Verträge werden jetzt gelöst, und womöglich werden Staatsanwälte ein Aktenzeichen wegen Scheckbetrugs verhängen. Herr Barandun müht sich um Klärung. Ein seltsamer Fall: Der Finanzjongleur hat nichts verdient, das Land hat außer 2,5 Millionen Euro für Berater, Anwälte und Gutachten nichts verloren, aber der Minister ist seine Ehre los.

© SZ vom 9.7.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: