"Profiling" an deutschen Flughäfen:Luftnummer zum Einstand

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Der künftige Chef des Flughafenverbands regt Kontrollen nach israelischem Vorbild an: Christoph Blume will Passagiere in Risikogruppen einteilen. Politiker lehnen das ab, die Branche lästert: Da habe einer sein Steinchen ins Wasser geworfen.

Michael König

Drei Stunden vor dem Abflug nach München ist die Schlange lang, der Blick der Sicherheitskräfte stechend. Eine Frau beginnt zu weinen, sie hält dem Druck der Befragung nicht stand. Weiter vorne ist es ein arabischer Stempel im Reisepass, der den Passagier verdächtig macht. Er wird zwei Stunden verhört. Seine Fotokamera und Reisetasche werden genauestens untersucht. 20 Minuten vor Abflug folgt eine Leibesvisitation. Per Eskorte wird der Passagier schließlich zum Flugzeug gebracht. Er ist jetzt sicher, aber mit den Nerven am Ende.

Sicherheitskontrollen am Flughafen Berlin-Schönefeld: Der designierte Präsident des Deutschen Flughafenverbands denkt laut über israelische Standards nach. Dort werden Passagiere pauschal in Risikogruppen eingeteilt. (Foto: dapd)

Dieser Erlebnisbericht vom Ben-Gurion-Airport bei Tel Aviv ist kein Einzelfall: Die Sicherheitsvorkehrungen in Israel sind so streng wie in kaum einem anderen Land. Anders als in Deutschland werden Passagiere dort in Risikogruppen eingeteilt - abhängig von ihrer Nationalität, Religion oder ihrem Familienstand. Kritiker halten das für Diskriminierung. Jetzt hat der designierte Präsident des Deutschen Flughafenverbands, Christoph Blume, den Reiz dieser israelischen Lösung entdeckt.

Israelisches Erfolgsrezept

Blume klagte im Interview mit der Rheinischen Post, jeder Terror-Verdachtsfall ziehe neue Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen nach sich. Die Technik lasse sich aber nicht grenzenlos aufrüsten. Deshalb solle über das israelische "Profiling" nachgedacht werden, forderte Blume: "Auf diese Weise können die Kontrollsysteme zum Wohle aller Beteiligten effektiver eingesetzt werden."

Die israelischen Behörden haben gute Erfahrungen mit der Technik gemacht. Die Flughäfen gelten in dem von Terror bedrohten Land als relativ sicher. Das "Profiling" wird dort als Mittel zum Erfolg betrachtet.

Die Kriterien für die Zusammenstellung der Risikogruppen würden ständig verfeinert, sagt ein Insider zu sueddeutsche.de. Warum ein Passagier gründlicher gefilzt wird als ein anderer, wird nicht verraten. Es seien beispielsweise Stempel arabischer Länder im Reisepass, die verdächtig machten. Auch würden gezielt junge Frauen untersucht, die ohne Begleitung reisen. "Familien oder alte Leute haben nichts zu befürchten", sagt der israelische Funktionär, der anonym bleiben will.

Christoph Blume, der künftige Chef der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), dachte laut darüber nach, auch hierzulande so zu kontrollieren. "Sichere Kunden, über die ausreichend Daten vorliegen, und die regelmäßig ähnliche Strecken fliegen, werden dort weniger aufwändig kontrolliert als Passagiere, über die keine oder nur wenige Daten bekannt sind", sagte Blume in dem Interview, das schon am frühen Dienstagmorgen Schlagzeilen machte. Radiostationen, Fernsehsender und Onlinemedien berichteten.

Verband rudert zurück

Die Äußerungen Blumes, der auch Chef des Düsseldorfer Flughafens ist und zum Jahreswechsel ADV-Präsident wird, befeuern die seit Monaten andauernde Debatte um Körperscanner, die am Flughafen Hamburg getestet werden und deren Einsatz Blume befürwortet. Wie er sich die Umsetzung des "Profilings" vorstellt und ob sein Vorstoß mit anderen Flughäfen abgestimmt war, ist unklar.

Eine Sprecherin des Verbands erklärte am Nachmittag, "Profiling" sei nur eine von mehreren Techniken, die der ADV prüfe. Anders als in vielen Medien dargestellt, habe der künftige Präsident die Einführung nicht gefordert, sondern nur zum Nachdenken angeregt. Blume ließ ausrichten, er sei aus Termingründen nicht zu sprechen.

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich längst skeptische Stimmen aus der Politik und der Flughafenbranche zu Wort gemeldet. Die Grenze zur Diskriminierung sei schnell erreicht, wenn man Menschen nach ihrem Aussehen beurteile, heißt es. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte der Süddeutschen Zeitung, die deutschen Behörden seien auch ohne "Profiling" gut aufgestellt: "Es geht um gute handwerkliche Polizeiarbeit, und die machen wir. Wir halten die Augen offen."

Der Terrorabwehrmaßnahmen ansonsten nicht abgeneigte Vorsitzende des Bundestags-Innenauschuss, Wolfgang Bosbach, hält Blumes Vorschlag für nicht praktikabel: "Ich kann mir nicht vorstellen, wie das ohne Ärger funktionieren soll", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, griff Blume direkt an: "Wer solche Vorschläge macht, ist als zukünftiger Präsident des Flughafenverbandes schlicht ungeeignet."

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Ein Sprecher der israelischen Botschaft in Berlin wollte auf Blumes Vorstoß nicht konkret eingehen. Es gebe jedoch in Sachen Flughafensicherheit einen "guten Dialog" zwischen den Regierungen beider Länder. "Wenn es von deutscher Seite gewünscht ist, können wir die Zusammenarbeit ausdehnen", sagte er sueddeutsche.de.

Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fühlt man sich offenbar an die Rasterfahndung erinnert, die in den siebziger Jahren bei der Suche nach RAF-Terroristen eingesetzt wurde. Potenzielle Attentäter nur aus bestimmten Herkunftsländern mit bestimmten äußerlichen Merkmalen zu vermuten, könnte sich spätestens dann als gefährlicher Irrtum erweisen, wenn eine Person einen Anschlag verübt, die nicht in das Raster gepasst hat", sagte der GDP-Vorsitzende Bernhard Witthaut.

"Zu sehr der Wunsch nach Zeitersparnis"

An den künftigen ADV-Chef Blume gerichtet, fügte er hinzu: "Solche Vorschläge klingen zu sehr nach dem Wunsch nach Zeitersparnis. Aber lieber eine halbe Stunde in der Warteschlange als ein Leben lang tot."

Die Betreiber der größten deutschen Flughäfen wollen sich offiziell nicht zu dem Vorstoß ihres designierten Verbandspräsidenten äußern. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, man wolle hierzulande keine "israelischen Verhältnisse". Das sei weder nötig noch realistisch.

Auf internationaler Ebene hatte sich zuletzt der internationale Airline-Verband IATA mit einer ähnlichen Idee hervorgetan. Der IATA-Generaldirektor Giovanni Bisgnani Mitte Dezember schlug ein Tunnel-System mit drei Abzweigungen vor: In Tunnel eins würden "bekannte Flugreisende" durchsucht, der zweite Tunnel sei "normale Flugreisende" vorgesehen. Potentielle Gefährder müssten hingegen in Tunnel drei eine umfassendere Untersuchung über sich ergehen lassen.

In der Politik erntete auch diese Idee viel Kritik. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte damals: "Am Ende steht eine Selektion in 'good', 'normal' and 'bad guys'. Das ist eine Unterscheidung nach völlig undurchsichtigen Kriterien."

Ob Blume sich angesichts dieser Vorzeichen mit seiner Idee durchsetzen kann, erscheint mehr als fraglich. Eines hat der künftige Verbandspräsident jedoch erreicht: einen gewissen Bekanntheitsgrad. Im Hinblick auf den baldigen Amtsantritt Blumes sagte ein Vertreter eines großen Airports: "Da hat einer sein Steinchen ins Wasser geworfen."

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