Profil:Yisrael Kristal

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Yisrael Kristal, gelernter Zuckerbäcker und der älteste Mensch auf Erden . (Foto: AFP)

Gelernter Zuckerbäcker und der nun älteste Mensch auf Erden.

Von Peter Münch

Jugend ist kein Fehler und das Alter kein Verdienst, heißt es gemeinhin, und mit diesem alten Spruch hält es auch Yisrael Kristal. 112 Jahre trägt er auf den Schultern, und als ihn in diesen Tagen zu Hause in Haifa die Nachricht erreichte, dass er damit nun der älteste Mann auf Erden ist, reagierte er, so erzählt es seine Tochter, mit Gelassenheit: "Das ist ein Geschenk Gottes", sagte er, "ich selbst habe nicht viel dazu beigetragen." So hat er wohl immer gelebt und vieles überlebt - auch Auschwitz.

Ein düsteres Jahrhundert hat vor ihm gelegen, als er am 15. September 1903 in Żarnów, Polen, geboren wurde. Der Vater war ein Thora-Gelehrter, der Sohn wurde nach den frommen Regeln des Judentums erzogen, ließ sich in Łódź als Zuckerbäcker nieder und gründete eine Familie. Dann zog die Katastrophe auf, die Nazis zwangen ihn nach dem Einmarsch in Polen ins Ghetto, 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert. Seine Frau und zwei Kinder verlor er im Holocaust, nur er überlebte. "37 Kilo hat er nach der Befreiung noch gewogen", berichtet Shula Kuperstoch, die 64 Jahre alte Tochter aus zweiter Ehe, "doch er hat nie aufgegeben." Polen aber war keine Heimat mehr nach dem Krieg, ein Schiff brachte ihn 1950 nach Israel. In Haifa ging er an Land, und dort ist er bis heute geblieben. Eine neue Familie mit zwei Kindern, eine Fabrik für Schokolade und Bonbons - das waren die süßen Seiten des Lebens.

1972 ging er in den Ruhestand, den er nun schon im fünften Jahrzehnt genießt. Mit einer philippinischen Pflegerin lebt er noch in der eigenen Wohnung, die Tochter wohnt gleich in der Nähe, Enkel und Urenkel kommen zu Besuch. Interviews aus Anlass des Altersrekords seien "zu aufregend" für ihn, sagt Shula Kuperstoch. Aber ansonsten sei er meist "in guter Stimmung". Tipps für ein langes Leben hält er nicht bereit, nur so viel, dass "alles in Maßen" genossen werden sollte. Bei Fragen nach einem Diät-Rezept denkt er an Ghetto und KZ: "In den Lagern gab es gar nichts zu essen. Ich habe alles gegessen, was ich kriegen konnte."

Bei einem Holocaust-Überlebenden, der zum ältesten Mann der Welt wird, klingt das eben anders als zum Beispiel bei manch altersstolzem Japaner, der gern auf rohen Fisch und dergleichen verweist. Von dem nur wenige Monate älteren Japaner Yasutaro Koide hat er nun auch den Titel geerbt. Als der in dieser Woche starb, meldete sich die für solche Rekordfragen zuständige "Gerontologische Forschungsgruppe" aus den USA mit der Nachricht, dass er nun aufrücke. Vor dem Eintrag ins Guinness-Buch wird noch eine Urkunde aus den ersten beiden Lebensjahrzehnten verlangt. Das einzige Dokument, das der Jubilar jedoch aus den Wirren retten konnte, ist seine Hochzeitsurkunde von 1928, da war er 25 Jahre alt.

Als frommer Mann wird Yisrael Kristal wissen, dass auch in seinem biblischen Alter noch Luft nach oben ist: Methusalem wurde der Heiligen Schrift zufolge 969 Jahre alt.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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