Profil:Yael Amitai

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(Foto: Oren Ben Hakoon)

Israelische Wissenschaftlerin, die der Politik die Stirn bietet.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für die israelische Wissenschaftlerin Yael Amitai eingesetzt, auch Außenminister Heiko Maas hat ihren Fall vergangene Woche mit seinem Kollegen Gabi Aschkenasi beredet. Die Fürsprache von höchster deutscher Regierungsseite und der Protest von Hunderten Wissenschaftlern hat gefruchtet: Der neue israelische Wissenschaftsminister Izhar Shay hat Amitai nun als Mitglied im Kuratorium der Deutsch-Israelischen Stiftung für Forschung und Entwicklung (GIF) bestätigt.

Nominiert worden war die renommierte Neurowissenschaftlerin bereits vor zwei Jahren. Aber Shays Vorgänger Ofir Akunis blockierte die Berufung in das Gremium. Der Politiker der rechtsnationalen Likud-Partei begründete seine Weigerung damit, dass Amitai im Jahr 2005 einen Aufruf unterzeichnet habe, den Kriegsdienst zu verweigern. Doch selbst Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit wies den Minister darauf hin, dass die Unterzeichner lediglich Unterstützung für Studenten und Dozenten bekundet hatten, wenn diese den Einsatz im von Israel besetzten Westjordanland verweigern.

Auch der neue Wissenschaftsminister, der der blau-weißen Partei von Benny Gantz angehört, betont, dass ihm die Entscheidung angesichts des Aufrufs schwergefallen sei. Aber diese Überlegungen hätten "nichts mit der professionellen Rolle von Professor Amitai zu tun", sie sei wegen ihrer fachlichen Qualifikation ausgewählt worden. Amitai ist zufrieden mit dieser Reaktion: Der Minister sei zwar nicht ihrer Meinung, aber er mische sich nicht in die Belange der Wissenschaft ein.

Die 66-Jährige ist Professorin an der Ben-Gurion-Universität in Beer Scheva und beschäftigt sich vor allem mit dem Neocortex von Säugetieren, einem Teil der Großhirnrinde. Ihr Lebenslauf enthält eine lange Publikationsliste, sie forschte auch an der amerikanischen Stanford University.

Ihre Nicht-Ernennung hat einen beispiellosen Protest von Wissenschaftlern in Israel und Deutschland ausgelöst: Zwei der drei deutschen Mitglieder traten zurück mit der Begründung, "diese Art von politischer Intervention" werde der Wissenschaft Schaden zufügen. 544 israelische Wissenschaftler riefen in einem offenen Brief zu einem Boykott der GIF auf, bis Amitai eingesetzt wird. Sie protestierten gegen die politische Einmischung in akademische Vorgänge.

Die Deutsch-Israelische Stiftung für Forschung und Entwicklung mit Sitz in Jerusalem wurde 1986 mit einem Stiftungskapital von 150 Millionen Mark ins Leben gerufen und sollte den Austausch zwischen beiden Ländern fördern. Forschungsprojekte werden mit den Zinserträgen des Stiftungskapitals gefördert. Mehr als zwölf Millionen Euro werden jährlich als Zuschüsse für Forschungsprojekte vergeben. Das Kuratorium aus drei israelischen und drei deutschen Mitgliedern bestimmt, wer die Förderung bekommen soll.

Amitai beugte sich damals im Juli 2018 bereits über solche Anträge, als ein Anruf aus dem Ministerium sie stoppte. Statt ihr nominierte der damalige Wissenschaftsminister einen Professor für Chirurgie, bekannt für rechte Positionen und Mitglied von Siedlerorganisationen.

Die zweifache Mutter und vierfache Großmutter gab jedoch nicht kampflos auf. Sie klagte, der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gericht. Dort wurde geurteilt, die Verweigerung der Nominierung sei "unangemessen". Der Minister wurde aber nur aufgefordert, seine Entscheidung zu "überdenken". Noch heute schmerzt Amitai, "dass das Gericht keine Grundsatzentscheidung gefällt hat". Denn es gehe nicht um ihre Person, sondern um ein Prinzip: dass sich die Politik nicht in die Belange der Wissenschaft einmischen darf. Amitai hofft, dass nun die Stiftung ihre Arbeit endlich wieder aufnimmt, die wegen des Gezerres um die Nominierung seit zwei Jahren blockiert ist.

© SZ vom 16.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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