Profil:Wu Gan

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(Foto: oh)

Chinas spöttelnder Kritiker, nun vor Gericht zum Schweigen gebracht.

Von Kai Strittmatter

"Supervulgärer Schlachter". Was für ein Pseudonym. Aber dem Mann, der eigentlich Wu Gan heißt und der sich den Schlachternamen einst nach ein paar Jahren im Militär für seine neue Karriere zulegte, dem war derber Humor nie fremd gewesen. Vor allem aber wusste er, wie man die Leute auf sich aufmerksam machte. "Er hat sich den Nachnamen seiner Mutter geborgt, ihr mildes Wesen aber hat er nicht geerbt", sagt sein Vater. Wu Gan habe Ungerechtigkeit nie ertragen können. "Wo er sie sieht, springt er den Opfern bei." Opfer der Justiz waren das oft, für die er eine Show auf die Beine stellte, die Chinas Internet zum Summen brachte. Dafür sitzt Wu Gan nun selbst im Gefängnis. Diese Woche machen sie dem heute 44-Jährigen vor einem Gericht in Tianjin den Prozess.

Unter all den Aktivisten und Andersdenkenden Chinas ist Wu Gan vielleicht der ungewöhnlichste. Den rührigen Bürgerrechtsanwälten, die Chinas KP in den letzten zwei Jahren reihenweise verhaften und misshandeln ließ, war Wu Gan zur Hand gegangen, ja, aber er hatte das auf seine Weise getan. In Wu Gans Aktivismus vermählte sich der gerechte Zorn von Anfang an mit beißender Satire, der Straßenprotest kooperiert mit landesweiten viralen Online-Kampagnen. Es waren stets friedfertige, manchmal wilde und anarchische Aktionen, die oft die Justiz bloßstellten und die Behörden dem Spott preisgaben.

Wenn die Anklage Wu Gan nun vorwirft, er habe "den Ruf der Justizorgane beschmutzt und das Gerichtswesen verleumdet und angegriffen", dann lässt das erahnen, wo genau der Schlachter ihnen wehgetan hat. Er wolle "Schweine schlachten", sagte Wu Gan, und er meinte: Machtmissbrauch aufdecken. Wu Gan hatte sich eingesetzt für unschuldig zum Tode Verurteilte, für Bürger, die man aus ihren Häusern vertrieben hatte, für eine junge Frau, die sich gegen ihren Vergewaltiger - einen Parteifunktionär - zur Wehr gesetzt und ihn erstochen hatte. Dieser Fall hatte ihn bekannt gemacht, 2009 war das, das Geburtsjahr für Chinas soziale Medien.

Kein Zufall: Wu Gan wusste lange vor der KP, welches Potenzial in den neuen Mikroblogs lag. Er nutzte es. Er organisierte Online-Suchtrupps für die Fehltritte von Beamten, er hängte an Straßenlaternen selbstgeschriebene Haftbefehle aus, er verkündete vor einem Gerichtssaal, er werde nun Geld sammeln für die Bestechung eines korrupten Richters: "Wie viel willst du?" stand auf seinem Plakat.

Und manchmal hatten seine Aktionen tatsächlich Erfolg. Es waren die Jahre, in der das Internet China neue Freiräume brachte und den vom Apparat überrollten Opfern eine Bühne gab. Die Zeiten sind vorbei. Die KP-Führung um Xi Jinping hat das Netz und die Aktivisten zum Schweigen gebracht. Brechen konnte sie Wu Gan nicht. In einer aus der Zelle geschmuggelten Erklärung lässt er wissen, die Anklage sei ihm "eine große Ehre", der Schuldspruch durch die Diktatur "eine goldglänzende Trophäe".

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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