Profil:Wladimir Klitschko

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Der Boxer und ukrainische Nationalheld zeigt auch politisch Schlagkraft.

Von Frank Nienhuysen

(Foto: Matt Dunham/AP)

Wer solch einen Satz von Joyce Carol Oates an den Anfang seiner Biografie stellt, der hat ihn vermutlich verinnerlicht. "Ich muss Boxen nicht als Sport rechtfertigen, weil ich es nie als Sport gesehen habe." Wladimir und Vitali Klitschko eröffneten mit dem Oates-Zitat einst ihr Buch "Unter Brüdern". Auch wenn sie selbst Boxen sehr wohl als Sport ansahen, so ist ihnen doch bewusst geworden, wie viel Metaphorik in ihm liegen kann. Der heute 41 Jahre alte Wladimir Klitschko wirkte stets als der smarte Bonvivant der Familie, während es den fünf Jahre älteren Vitali früh in die ukrainische Politik zog. Aber das täuschte.

Als Wladimir Klitschko vor drei Jahren während des Krim-Konflikts in Oberhausen einen WM-Fight gewann, da sagte er: "Ich hoffe, dass wir die Krise in der Ukraine überstehen, so wie ich es geschafft habe, den Kampf zu überstehen." Der Süddeutschen Zeitung sagte er damals, sein Bruder sei der Politiker, "ich bin der Nicht-Politiker". Doch das galt nur in einem engen Sinne. Ja, Wladimir Klitschko hat nie für das Kiewer Oberbürgermeisteramt kandidiert, nie für die ukrainische Präsidentschaft. Er hat halt einfach auch länger geboxt. Aber politisch ist auch der jüngere Klitschko immer gewesen. Die Krise in seinem Land zwang ihn fast dazu. Wegsehen konnte er nicht. Er wusste, ein Idol in der Heimat zu sein, war auch Verpflichtung.

Schon Ende 2004 schnappte er sich in Kiew das Mikrofon, ließ sich vom dichten Schneetreiben weißeln und wetterte vor Zehntausenden Menschen gegen eine manipulierte Wahl. "Wer foult, wird disqualifiziert. Deshalb muss das Ergebnis disqualifiziert werden", rief er den Demonstranten zu. Er trug eine orangefarbene Krawatte, einen orangenen Schal, das Signum der damaligen Revolutionsbewegung. So war es also nicht, dass Wladimir Klitschko alles Politische allein dem großen Bruder überließ und selbst nur das Leben und seine Siege genoss. Später, zu Beginn des Maidan, holte die Sängerin Ruslana Klitschko auf die Kiewer Bühne und rief, "Brat sa brata" - der Bruder für den Bruder. Vitali Klitschko war damals Präsidentschaftskandidat, Wladimir kämpfte für ihn mit.

Die beiden sind so etwas wie geistige siamesische Zwillinge, seit Wladimirs Geburt vor 41 Jahren emotional aneinandergewachsen. In ihrer Biografie plaudern sie über ihre Unzertrennlichkeit schon im Kindesalter, in dem sich andere mit ihren Geschwistern prügeln. Schnell wurden sie für ukrainische Jungen zu Vorbildern, und beide gaben reichlich zurück. Wladimir Klitschko ließ in seiner Heimat Sportschulen renovieren. Die Klitschko Brothers Foundation hilft ukrainischen Kindern.

Jetzt also hört auch der Jüngere auf, mit dem Boxen. Sein Kiewer Designhotel, als eines der besten Boutique-Hotels prämiert, führt er weiter. Und er strebt verstärkt ins Sport- und Marketing-Management, teure Kurse hat Klitschko schon selber gegeben. Er spricht von der zweiten Karriere. Die erste war einfach schon zu prall gefüllt.

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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