Profil:Torsten Schultze

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Der Leipziger Polizeichef muss viele heikle Aufgaben meistern.

Von Cornelius Pollmer

(Foto: Picture Alliance)

Wie fordernd seine Aufgabe als Präsident der Polizeidirektion Leipzig werden würde, erfuhr Torsten Schultze in der Nacht vor seiner Amtseinführung. Punkt Mitternacht wurden vor knapp einem Jahr alle Mails von seinem in Sachsen lebend-legendären Vorgänger Bernd Merbitz auf Schultze umgestellt, "mein Postfach war gleich voll", stellte dieser erstaunt fest.

Eine noch eindrücklichere Mitternacht liegt gerade erst hinter der gesamten Leipziger Polizei. Die Vorfälle zum Jahreswechsel und das kommunikative Fehlverhalten einiger Kräfte sind die bislang wichtigste, jedoch nicht letzte große Prüfung in einem Amt, von dem einst nicht zu erwarten gewesen war, dass Schultze es einmal übernehmen würde. Er wuchs auf in der Altmark und wurde noch zu DDR-Zeiten Leistungsruderer. Sein Vater habe jedoch an seinem Sohn mehr dessen Beobachtungsgabe bewundert, sagte Schultze später der Sächsischen Zeitung, und er habe ihm schließlich den Tipp gegeben: "Du solltest zur Polizei gehen." Dort begann er im Herbst 1991 im gehobenen Polizeivollzugsdienst, später ließ er sich für den Aufstieg in den höheren Dienst ausbilden. Wesentliche Stationen Schultzes wurden das sächsische Innenministerium sowie die Polizeidirektionen in Görlitz und Leipzig.

Leipzig ist mit etwa 3000 Beamten die nach Kräften größte Polizeidienststelle Sachsens. Schultze, 55, hatte sie zuvor bereits als Vertreter des Leiters kennengelernt, er weiß um die besonderen Herausforderungen. Sie liegen im Zuschnitt der Direktion, zu der neben dem Stadtgebiet einige Landkreise gehören sowie die Stadt Torgau, die statistisch betrachtet im Landesvergleich, wie Leipzig, einen Kriminalitätsschwerpunkt darstellt.

Schultze kündigte zu seinem Amtsantritt an, das Umland nicht vernachlässigen zu wollen. Vor den größten Aufgaben aber steht die Polizei zweifellos in Leipzig, jener Stadt also, die aus Perspektive der Menschen im ländlichen Raum wie auch des Dresdner Beamtenbürgertums oft wirken muss wie ein sächsisches Gotham City. Während man an vielen sächsischen Bahnhöfen sonntags nicht mal einen heißen Kaffee bekommt, konnte man an der Leipziger Hauptstation lange zu jeder Uhrzeit alle möglichen Drogen kaufen. Im Leipziger Osten wiederum, dem einzig wirklich migrantisch geprägten Viertel in Ostdeutschland außerhalb Berlins, erhält man nicht nur sehr gutes Essen, sondern bekommt es auch mit der einzigen Waffenverbotszone in Sachsen zu tun. Sie wurde eingerichtet, nachdem unter anderem ein Konflikt der später aufgelösten Leipziger Gruppe der Hells Angels mit anderen Leuten aus dem Rockermilieu eskaliert und ein Mann auf offener Straße erschossen worden war.

An selber Stelle, der Eisenbahnstraße, geschah es auch, dass Schultzes Vorgänger Merbitz einmal während eines Interviews einen aufkommenden Tumult erblickte, einen Pressesprecher aktivierte ("Voigt, da müssen wir ran!") - und gemeinsam mit ihm schlichtend einschritt.

Ein besonderer Schwerpunkt der Polizeiarbeit in Leipzig ist auch der linksalternativ geprägte Stadtteil Connewitz. In diesem kam es in der Silvesternacht zu den heftigen Auseinandersetzungen, in deren Folge die von Linksradikalen ausgeübte Gewalt nun genauso kritisch diskutiert wird wie das Einsatz- und Kommunikationsverhalten der Polizei. Vertreter des linken Spektrums werfen Schultze vor, unter seiner Leitung sei das Vorgehen der Polizei speziell gegenüber diesem Milieu wieder aggressiver geworden. Das trage zur Eskalation von Konflikten bei. Schultze weist diesen Vorwurf zurück. Der Leipziger Volkszeitung sagte er: "Für uns gibt es keine gute und böse Kriminalität."

Die Mails dürften für Schultze auch nach Aufklärung der Silvesternacht nicht weniger werden: Am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig läuft demnächst ein Verfahren zum Verbot der Plattform Indymedia, im September treffen sich die Staatschefs der EU und Chinas zu einem Gipfel in der Stadt.

© SZ vom 04.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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