Profil:Steve Smith

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(Foto: Getty Images)

Der weltbeste Cricketspieler kämpft um seine verlorene Ehre.

Von Jan bielicki

Es sah nach einem Debakel aus für Australiens Team. Erst mickrige 112 Punkte hatten sie gemacht am ersten Tag ihres Länderspiels gegen England auf dem Edgbaston Cricket Ground in Birmingham. Und acht ihrer elf Schlagmänner hatte der Erzgegner bereits ins Aus gespielt. Aber auf dem Feld stand noch Steve Smith. Und schlug und schlug, einen Ball der englischen Werfer nach dem anderen. Den Century - die hundert Punkte, die im Cricket als Maß und Ziel eines Weltklassespielers gelten - hatte er bald erreicht und gewaltige 144 Punkte gesammelt, als ihn die Engländer endlich vom Feld warfen. Drei Tage später in der zweiten Spielhälfte legte er weitere 142 Punkte nach. Es war Century Nummer 25 in Smiths Karriere, ein sensationelles Comeback. Australien siegte.

Mehr als ein Jahr lang war er zuvor nicht mehr angetreten im Test Cricket, der Urform dieses urenglischen Sports, bei der die Spieler Weiß tragen und ein Match fünf Tage dauert, mit Teepausen. Dabei gilt der 30-Jährige mit dem Bubengesicht als bester Schlagmann seiner Generation, ja gar als bester Spieler, seit der legendäre Donald Bradman in den Dreißiger- und Vierzigerjahren Centuries in Serie schlug. Nach "The Don" sind in Australien heute Hauptstraßen benannt, seine Cricket-Schläger ruhen im Museum.

Ob Steve Smiths Name je Straßenschilder zieren wird, ob ihm je, wie bei Sir Donald, ein Adelstitel vorangestellt wird, ist jedoch fraglich. Denn mit ihm verbinden sich nicht nur etliche Höhepunkte, sondern auch ein Tiefpunkt des Cricket-Sports, der viel darüber aussagt, welche Rolle das Spiel im Mutterland England und mehr noch in den ehemaligen Kolonien des britischen Empire einnimmt.

Es geschah am 24. März 2018 in Kapstadt. Während eines Länderspiels zwischen Südafrika und Australien erwischten TV-Kameras einen jungen australischen Werfer dabei, wie er den Ball mit Sandpapier bearbeitete und das Tatwerkzeug in seiner Unterhose verschwinden ließ. Solche Manipulationen verändern das Flugverhalten des Balles zum Nachteil des gegnerischen Schlagmanns und sind strengstens verboten. Smith, damals Teamkapitän, gestand, eine "Führungsgruppe" der Mannschaft habe den Plan ausgeheckt. Er verlor die Kapitänswürde und wurde für ein Jahr gesperrt.

Der Skandal war groß, umgibt Cricket doch der Mythos, ein Sport der Gentlemen zu sein, in dem Fairness über allem steht. Wenn ein Australier etwas für ungerecht oder falsch hält, beschwert er sich: "It's just not cricket!" Entsprechend sah die empörte Reaktion auf Smiths Missetat aus. Manche Buchhandlungen stellten seine Memoiren gar ins Krimiregal. Gerade ihm hatten die Fans so etwas nicht zugetraut. Er galt immer als anständig, brav, so sauber und langweilig wie Frühstücksflocken-Reklame. "In seiner jungenhaften Schale verbirgt sich ein jungenhafter Kern", sagte ein Trainer über ihn. Das war als Hinweis darauf gemeint, dass der Weltklassespieler zwar Cricket im Kopf habe, aber sonst womöglich nicht allzu viel.

Schon als Kind schlug der Sohn eines australischen Vaters und einer englischen Mutter im Südwesten Sydneys stundenlang Bälle in die Fangnetze. Die Schule schmiss er. Heute verdient er Millionen und steht damit für die Entwicklung des Spitzensports auch im Cricket. Längst gibt es fernsehgerechte Blitzformate, bei denen Spiele nur drei, vier Stunden dauern, einträgliche Werbepausen inklusive. Damit wird vor allem in Südasien sehr viel Geld verdient, wo Hunderte Millionen indische Fans per Live-TV gebannt Spiele verfolgen, die für Betrachter außerhalb des Commonwealth so spannend wirken wie das Trocknen frischer Farbe an der Wand. Als Kapitän der Rajasthan Royals streicht Smith umgerechnet 1,5 Millionen Euro ein für eine sechswöchige Saison.

Doch kann Leistung Steve Smiths verlorene Ehre wiederherstellen? Als er das Feld von Edgbaston verließ, mischte sich in die Buhs für den Betrüger schon wieder Applaus für den Spieler.

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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