Profil:Ryan Kaji

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(Foto: N/A)

Acht Jahre alt und Youtube- Multimillionär.

Von Jürgen Schmieder

Natürlich ist es möglich, Ryan Kaji als abschreckendes Symbol des Spätkapitalismus zu betrachten. Was er tut - sich beim Auspacken von Spielsachen filmen zu lassen - liegt auf der Liste unfassbarer Tätigkeiten irgendwo zwischen Food Porn (sein Essen filmen), Belfie (seinen Hintern fotografieren) und Peloton (auf einem stationären Fahrrad nach nirgendwohin fahren und dabei fernsehen). Er ist damit einer der erfolgreichsten Influencer seiner Zeit: jener Leute, die sich selbst in den Mittelpunkt stellen und fürs Anpreisen irgendwelcher Sachen auf sozialen Netzwerken Geld bekommen. Kaji soll in diesem Jahr über den Youtube-Kanal Ryan's World und Werbeverträge insgesamt 26 Millionen Dollar verdient haben. Und ach ja: Er ist ein acht Jahre alter Junge aus dem US-Bundesstaat Texas.

Was den Blick auf die Eltern richtet: Loann und Shion Guan, eine vietnamesische Chemie-Lehrerin und ein japanischer Ingenieur, haben im Jahr 2015 auf die Frage des damals vier Jahre alten Sohnes ("Warum bin ich nicht auf Youtube, wenn alle anderen Kinder es auch sind?") nicht mit der Eltern-Floskel ("Wenn alle anderen Kinder von der Brücke hüpfen, würdest du dann auch springen?") geantwortet, sondern mit: Warum nicht? Sie haben ihre Jobs gekündigt und Ryan sowie dessen Geschwister, die jüngeren Zwillinge Emma und Kate, dabei gefilmt, wie sie Spielsachen auspacken und darüber reden.

Kaji ist einer der Katalysatoren des sogenannten "Unboxing"-Genres, mittlerweile abonnieren knapp 23 Millionen Leute seinen Kanal, das erfolgreichste Video (er sucht in einer aufblasbaren Hüpfburg nach Geschenk-Ostereiern) ist 1,9 Milliarden Mal angesehen worden. Die Familie ist in eine Eine-Million-Dollar-Villa gezogen und fährt im Luxusauto zum eigenen TV-Studio, in dem sie die Videos produziert, von denen beinahe täglich eines veröffentlicht wird. Die vorgestellten Spielsachen, es gibt Verträge mit mehreren Herstellern, werden danach an bedürftige Kinder gespendet.

Die Videos sind unterhaltsam und lehrreich, meist sind darin Ryan und sein Vater zu sehen, wie sie neue Spielsachen begutachten und dabei ziemlich viel Spaß haben. Man könnte deshalb vielleicht auch sagen, dass die Eltern das Hobby ihrer Kinder gefördert, auf einen digitalen Trend reagiert und sehr viel riskiert haben und nun dafür belohnt werden. Sie sind geschäftstüchtig, gewiss, es gibt mittlerweile eine eigene Spielzeug-Kollektion, eine TV-Serie und ein Computerspiel. Vorsichtigen Schätzungen zufolge hat die Familie bislang insgesamt mehr als 60 Millionen Dollar verdient. Ist das schlimm?

Jedenfalls ist das Geschäftsmodell gefährdet. So hat das Non-Profit-Unternehmen Truth in Advertising eine Beschwerde bei der US-Handelskammer eingereicht. "Fast 90 Prozent aller Videos enthalten mindestens ein gesponsertes Produkt", heißt es darin: "Die Videos richten sich an Kinder im Vorschulalter, die nicht zwischen ehrlicher Empfehlung und Werbung unterscheiden können." Der Ausgang des Verfahrens ist offen.

Zudem hat der Youtube-Mutterkonzern Google nach außergerichtlicher Einigung und Zahlung von 170 Millionen Dollar angekündigt, von 2020 an keine personalisierte Produktwerbung von Kindern mehr zuzulassen. Es ist nicht abzusehen, was das für Kanäle wie den von Kaji bedeutet, der offiziell von den Eltern betrieben wird. Oder jenen der fünf Jahre alten Russin Anastasia Radzinskaya, die mit Einkünften von 18 Millionen Dollar auf Platz drei der Hitliste liegt.

So viel ist sicher: Influencer zu sein ist kein Hobby, sondern ein knallhartes Geschäft. Kajis Eltern beteuern, dass sie das Projekt sofort stoppen würden, wenn ihren Kindern der Spaß verginge. Kajis Vorgänger als Youtube-Topverdiener, unter dem Künstlernamen PewDiePie bekannt dafür, sich selbst beim Videospielen zu filmen, hat nach Rassismus-Vorwürfen eine Auszeit angekündigt. Er sei einfach "sehr, sehr müde".

© SZ vom 27.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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