Profil:Rita Röhrl

Lesezeit: 2 min

Wie schafft es eine Rote, Landrätin im schwarzen Niederbayern zu werden?

Von Roman Deininger

Feste muss man feiern, wie sie fallen, umso mehr, wenn man Mitglied der Bayern-SPD ist, bei der seit geraumer Zeit praktisch nichts fällt außer den Wahlergebnissen. Nach dem historischen Absturz auf 15,3 Prozent im Freistaat bei der Bundestagswahl vor zwei Wochen blicken die Genossen nun dankbar in den hintersten Winkel Niederbayerns. Dort, im Landkreis Regen an der tschechischen Grenze, hat am Sonntag eine 63 Jahre alte Frau - Spitzname "rote Rita" - bewiesen, dass Sozialdemokraten noch siegen können.

Rita Röhrl wird am 1. Dezember ihren neuen Job als Landrätin von Regen antreten. 77 000 Einwohner hat der Kreis, mit Zwiesel und Bodenmais zwei etwas angestaubte, aber immer noch bekannte Touristenorte, und mit dem Großen Arber den höchsten Berg des Bayerwaldes. Als größte politische Attraktion der Gegend galt lange der Mann, dem Röhrl jetzt nachfolgt: Michael Adam war bei seiner Wahl 2011 blutjung, rot und offen schwul - alles, was man nicht erwarten würde von einem Landrat in diesem tiefschwarzen Landstrich.

Rita Röhrl ist nicht mehr ganz so jung, genauso rot und geschieden. Auf dem Papier machen auch diese Eigenschaften niemanden zum Favoriten bei einer bayerischen Landratswahl. Von 71 Landräten im Freistaat stellt die SPD nur fünf. Doch Röhrl setzte sich in der Stichwahl mit 54,1 Prozent der Stimmen durch, sie bezwang einen durchaus vorzeigbaren CSU-Kandidaten. Dabei hatte sie eigentlich schon ihren langsamen Rückzug aus der Politik geplant; nach dem überraschenden Abschied ihres langjährigen Schützlings Adam sprang sie als SPD-Kandidatin ein. Röhrls Triumph, sagte am Montag Natascha Kohnen, die Chefin der Landes-SPD, mache der Partei "Mut für die Zukunft".

Die Mutmacher für die SPD kommen in Bayern immer aus der Kommunalpolitik, in den beiden größten Städten stellt sie den Oberbürgermeister. Die Erklärung für den Erfolg ist in München und Nürnberg die gleiche wie in Regen: Die SPD gewinnt, wenn ihre Bewerber nah bei den Leuten sind. Rita Röhrl, gelernte Buchhändlerin und leidenschaftliche Raucherin, ist seit 1990 Bürgermeisterin der 2900-Einwohner-Gemeinde Teisnach, zupackend in der Sache und direkt im Ton. Seit beinahe 40 Jahren sitzt sie im Kreistag, seit 35 im Bezirkstag. Sie hat sich mit langem Atem das Vertrauen der Menschen erarbeitet. Am Sonntag hatte sie Tränen in den Augen, als sie erfuhr, dass mehr als 70 Prozent ihrer Teisnacher für sie gestimmt hatten.

Röhrl beschreibt sich selbst als pragmatische Problemlöserin, die etwa die Unterbringung von Flüchtlingen in privaten Mietwohnungen selbst in die Hand nimmt. Überregionale Aufmerksamkeit erregte sie, als sie einen Technologie-Campus der Hochschule Deggendorf ins kleine Teisnach holte. Das SPD-Parteibuch trägt sie im Herzen, aber nicht ständig auf der Zunge. Aus dem Feiern kommt sie dieser Tage kaum heraus: Am Montag wurde Rita Röhrl 64 Jahre alt.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: