Profil:Rifaat al-Assad

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(Foto: AP)

Der syrische Diktatoren-Onkel steht in Paris vor Gericht.

Von Moritz Baumstieger

Manche Menschen besitzen Talent zur wundersamen Geldvermehrung - oder einfach wenig Skrupel. Rifaat al-Assad, Onkel von Syriens Diktator Baschar al-Assad, sieht sich selbst klar in der ersten Kategorie. Der Vorwurf der Veruntreuung und Geldwäsche, wegen dem er sich jetzt vor einem Pariser Gericht verantworten muss, entbehre jeder Grundlage, sagen Anwälte des 82-Jährigen. Er sei zwar vor drei Jahrzehnten mittellos in Frankreich angekommen, aber dass er dort seither Immobilienbesitz im Wert von 90 Millionen Euro anhäufen konnte, führt Assad auf großzügige Geschenke und gute Geschäfte zurück. Freunde hätten ihm dann und wann mit Schecks ausgeholfen.

Anti-Korruptionsaktivisten, syrische Oppositionelle und Ermittlungsbehörden mehrerer europäischer Staaten sehen das anders. Die französischen Besitztümer machen nur einen Teil des Vermögens aus, das der Mann mit dem Habitus eines in die Jahre gekommenen Playboys sein eigen nennt: In Spanien, wo im November ebenfalls Anklage gegen ihn eingereicht wurde, zählt er zu den größten Immobilienmagnaten. 507 Liegenschaften im Wert von 695 Millionen Euro soll er dort über Tarnfirmen kontrollieren. Soviel lässt sich nach Ansicht des Ermittlungsrichters selbst dann nicht anhäufen, wenn einem so großzügige Spender wie die saudischen Könige gewogen sind.

Die Familie, in die Rifaat al-Assad 1937 geboren wurde, war nach den Maßstäben der an der syrischen Küste siedelnden Minderheit der Alawiten wohlhabend, verglichen mit Großbürgern von Aleppo oder Damaskus aber bettelarm. Das änderte sich, als Rifaats älterer Bruder Hafez sich 1970 an die Macht putschte. Fortan machte die Sippe im Sicherheitsapparat Karriere. Rifaat war zeitweise Verteidigungsminister, stützte seine Macht aber vor allem auf eine paramilitärische Miliz. Mit ihr wurde er dem Bruder zur Bedrohung: Als sich Hafez 1984 nach einer Herzattacke vorübergehend aus dem Despotenalltag zurückzog, sandte Rifaat Panzer in die Straßen von Damaskus. Doch der Putsch scheiterte, und um das Ansehen der Familie zu wahren, ernannte Hafez den Bruder zum Vizepräsidenten. Wie bedeutungslos der Titel war, zeigte die Tatsache, dass Rifaat das Amt bis zu seiner Abschaffung 1998 aus dem Exil ausübte.

Berichten zufolge durfte er palettenweise Bargeld ins Ausland mitnehmen. Leute, die mit dem Regime vertraut sind, sprechen von 200 Millionen Dollar aus der Staatskasse; weitere 100 Millionen soll Muammar al-Gaddafi spendiert haben, Hafez' Diktatorenkollege aus Libyen. Auch nachdem sich die Brüder 1992 am Grab der Mutter ausgesöhnt hatten, blieb Rifaat mit seinen 16 Kindern aus vier Ehen in Europa. Die dortigen Behörden ließen ihn in Ruhe - trotz allem, was sie über seine Vergangenheit wussten.

Als sich 1982 in Hama Muslimbrüder gegen die Diktatur erhoben, war es seine Miliz, die den Aufstand an vorderster Front niederschlug. Ganze Stadtviertel wurden zerstört, bis zu 30 000 Männer, Frauen und Kinder getötet. Die bloße Erwähnung des Namens der Stadt reichte fortan, um in Syrien jeden Gedanken an Opposition zu ersticken. In Europa hingegen interessierte niemanden, dass Rifaat al-Assad seither den Beinamen "Schlächter von Hama" trug. Großbritannien vergab noch 2012 Aufenthaltsberechtigungen an die Familie, die auf der Insel zeitweilig die zweitgrößte Wohnimmobilie nach dem Buckingham Palace besaß.

Vor allem dank der Initiative von Nichtregierungsorganisationen schwindet die Gleichgültigkeit. Wegen des Massakers von Hama und einem weiteren Massaker an 1000 Gefängnisinsassen wird gegen Rifaat al-Assad in der Schweiz ermittelt; die Bundesanwälte kommen jedoch seit 2013 kaum voran. Beim Prozess in Paris, der bis diesen Mittwoch angesetzt war, erschien Rifaat al-Assad nicht persönlich. Aus "gesundheitlichen Gründen", hieß es. Die Ärzte hätten ihm von jeder Aufregung abgeraten.

© SZ vom 18.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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