Profil:Piotr Gliński

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Polens Vize-Regierungschef mit kulturellem Sendungsbewusstsein. (Foto: Radek Pietruszka/dpa)

Polens Vize-Regierungschef mit kulturellem Sendungsbewusstsein.

Von Florian Hassel

Würde Polen einen besonders rasanten Amtsantritt prämieren, Piotr Gliński hätte gute Chancen auf den Preis. Vor einer Woche erst hat Gliński das Kulturministerium übernommen - und schon für mehr Schlagzeilen gesorgt als jeder andere Minister der von der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (Pis) gebildeten Regierung. Gliński forderte die Absetzung eines Theaterstücks, ließ eine kritische Journalistin kaltstellen und will künftig vor allem patriotische Kost servieren. Auch um die Wirtschaft werde er sich kümmern, so Gliński - schließlich ist er auch Vize-Regierungschef.

Eine Bescheidung bei der Auswahl seiner Themen konnte dem 61 Jahre alten Gliński schon früher niemand vorwerfen. Sein Spektrum als Soziologe an der Akademie der Wissenschaften und der Universität Białystok reicht vom Leben polnischer Stadtfamilien in den 70er-Jahren über Umweltschützer bis hin zu Kulturstrukturen. Die politische Karriere aber kam nicht vom Fleck - bis Gliński Jarosław Kaczyński traf. Der Übervater der Pis suchte 2012 eine vordergründig unpolitische Galionsfigur für ein Misstrauensvotum gegen den damaligen Regierungschef Donald Tusk. Die Abwahl scheiterte ebenso wie ein zweiter Versuch 2014, wieder mit dem ambitionierten Professor in der Rolle als Schattenpremier. Nach dem Wahlsieg der Pis Ende Oktober wurde Gliński belohnt: zwar nicht mit dem Posten des Regierungschefs, doch immerhin mit dem eines Vize-Ministerpräsidenten und Kulturministers - einem im immer noch um seine Identität ringenden Polen überaus wichtigen Amt.

Kaum war Gliński vereidigt, forderte er regionale Behörden auf, im Theater von Breslau eine Inszenierung von Elfriede- Jelinek-Texten (vor allem aus der Collage "Der Tod und das Mädchen - Prinzessinendramen") wegen angeblicher Pornografie noch vor der Premiere zu verbieten. Das Stück geriet schnell in den Hintergrund. Stattdessen wollte eine Moderatorin einer politischen Talkshow im Staatsfernsehen von dem neuen Minister wissen, auf welcher Rechtsgrundlage er ein Verbot des - mit stehendem Applaus gefeierten - Stückes gefordert habe. Eine Antwort blieb Gliński schuldig - und drohte der Journalistin nach deren hartnäckigen Nachfragen mit dem Rauswurf. Wenige Stunden nach der Sendung wurde die Moderatorin vom Intendanten suspendiert. Und noch vor Weihnachten will Gliński ein Gesetz über eine weitgehende Umgestaltung der Staatsmedien einbringen.

Für Theater- wie für Filmleute werde "die Aufteilung des öffentlichen Kuchens anders sein als zuvor", kündigte Gliński an. Alternative oder linke Kulturmacher würden öffentliche Zuschüsse nicht sofort verlieren, aber "die Proportionen werden sich bedeutend ändern". Auch Regisseure und Festivalveranstalter sollen sich nun bemühen, "Polen in der Welt zu befördern" - etwa mit von der Regierung mitfinanzierten Filmen im Hollywood-Stil über Helden der polnischen Geschichte.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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