Profil:Neil MacGregor

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(Foto: Martin Schutt/dpa)

Gründer des Humboldt-Forums, dessen Charme dort an seine Grenzen stößt.

Von Jörg Häntzschel

Der polyglotte Neil MacGregor liebt deutsche Worte wie "erquickend" oder "hinreißend". Er benützt sie, als seien sie schöne, exotische Objekte in seiner reichen Sammlung von Sprachen. Er liebt sie aber auch, weil sie seinem Blick auf die Welt und die Kunst entsprechen. MacGregor hält wenig von spröder, hinter Büchern verborgener Wissenschaft, und viel von intelligentem geistigen Genießen.

Nicht zuletzt deshalb hat ihn Kulturstaatsministerin Monika Grütters vor zwei Jahren zum Chef des Berliner Humboldt-Forums gemacht. Es gibt in Deutschland genügend Naturwissenschaftler, Soziologen, Historiker, die auch Laien für ihre Fachgebiete begeistern können. Aber keinen, der wie MacGregor auch die Kunstgeschichte populär gemacht hätte. Vor allem seine Radioserie "Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten" für die BBC, die auch ein großer Bucherfolg wurde, machte ihn in seiner Heimat Großbritannien und darüber hinaus zu einem Star.

Fachgrenzen waren nach MacGregors sehr zeitgemäßem Wissenschaftsverständnis immer dazu da, überwunden zu werden. Geboren 1946 in Glasgow, studierte er zuerst Deutsch und Französisch, dann Philosophie, Jura und schließlich Kunstgeschichte. Schnell war auch klar, dass seine Leidenschaft vor allem der Vermittlung gilt, dem Erzählen, dem Mitreißen. Nach Dozentenjobs und Jahren als Chef des Burlington Magazine wurde er 1987 Direktor der Londoner National Gallery und, von 2002 bis 2015, des British Museum, eines der bedeutendsten Museen der Welt.

Als Grütters nach ihrem Amtsantritt vor vier Jahren einen charismatischen Kopf suchte, der das ohne Richtung durch die Jahre driftende Humboldt-Forum auf Kurs bringen könnte, fiel die Wahl fast zwangsläufig auf MacGregor. Es waren nicht nur seine Bekanntheit und wissenschaftliche Brillanz, auch sein Charme und sein enges Verhältnis zur deutschen Kultur, die Grütters begeisterten.

Doch die euphorische Meldung, endlich sei ein Kopf für das problematische Renommierprojekt Humboldt-Forum gefunden, verlor bald an Glanz. Zum einen war MacGregor vorsichtig genug, sich zum Ende seiner Karriere nicht mit Haut und Haar einem Projekt zu verschreiben, bei dem Scheitern eine sehr reale Gefahr darstellte. Deshalb ließ er sich statt auf den Intendantenjob nur auf eine Beratertätigkeit ein. Nur zehn Tage verbringt er jeden Monat in Berlin. In der übrigen Zeit entwickelt er ein Museum in Mumbai und arbeitet für die BBC. Grütters ließ sich die Enttäuschung nicht anmerken und tituliert den Teilzeitberater seitdem dennoch trotzig als "Gründungsintendant".

Aber auch MacGregor war enttäuscht. Er wurde in Berlin als charismatischer Retter des Unglücksprojekts begrüßt, in Wahrheit ist er nur Leiter einer Dreierkommission. Statt nämlich die Verschachtelungen der beteiligten Berliner Institutionen aufzulösen, eine Mammutaufgabe, stellte Grütters dem Briten einfach deren zwei Vertreter zur Seite und verordnete Harmonie. Das führt nun dazu, dass MacGregor, der 30 Jahre lang als Museumsdirektor schalten und walten konnte, sich deutschem "Konsenszwang" (MacGregor) unterwerfen muss. Und dazu, dass Hermann Parzinger, MacGregors Vorgänger als Forums-Chef, Herr über die beteiligten Museen und Chef von 2000 Angestellten, sich MacGregor unterordnen soll, der Chef von niemandem ist. Die Konstruktion ist abenteuerlich.

Entsprechend mager fällt beim Humboldt-Forum nach knapp zwei Jahren die Bilanz aus. Natur und Kultur will MacGregor zusammenbringen. Den Objekten aus dem Ethnologischen Museum und dem Museum für asiatische Kunst will er Objekte aus allen anderen Berliner Museen gegenüberstellen. Aber sein konkretes Konzept will er erst Ende des Jahres vorlegen. Seinen Vertrag immerhin hat MacGregor jetzt verlängert, aber auch nur bis zur Eröffnung 2019.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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