Profil:Myriam El Khomri

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Frankreichs Arbeitsministerin im Kampf für längere Arbeitszeiten.

Von Christian Wernicke

Bis vor drei Wochen war die Frau mit dem wallenden schwarzen Haar und dem arabischen Namen den Franzosen eine Unbekannte. So hätte es bleiben können, wäre es nach Myriam El Khomri selbst gegangen. Auf all den Rummel um ihre Person und um jenen Gesetzentwurf, der ihren Namen trägt und der nun die nationale Linke auf die Barrikaden treibt, hätte die 38-jährige Sozialistin und Arbeitsministerin gern verzichtet.

Zu spät. Binnen Tagen haben sich ihre Landsleute nun eine klare Meinung gebildet. El Khomri sei, so sagt die große Mehrheit der Bürger in einer Umfrage, "unsolide", "inkompetent" und "unerfahren". Nur eine positive Eigenschaft billigen die Franzosen El Khomri zu - sie sei "mutig".

Tatsächlich zählt die Arbeitsrechtsreform, für die El Khomri als jüngstes Mitglied des französischen Regierungskabinetts dieser Tage ihren Kopf hinhält, zu den couragiertesten Projekten seit Beginn der Regentschaft von Präsident François Hollande im Mai 2012. Die "Loi El Khomri" will, um neue Jobs zu schaffen, das Korsett der 35-Stunden-Woche lockern, betriebsbedingte Kündigungen erleichtern sowie Abfindungen selbst im Falle ungerechtfertigter Entlassungen auf maximal 15 Monatsgehälter begrenzen. Das bricht gleich mit drei linken Tabus, weshalb Hollande derartige Maßnahmen auch bisher tunlichst gemieden hatte. Die Gewerkschaften haben zu Massenprotesten und einem "heißen März" aufgerufen. Ein Präsidentenvertrauter räumt ein, Hollandes "gesamte Amtszeit" sowie sein Traum von der Wiederwahl 2017 stehe mit El Khomris Paragrafwerk auf dem Spiel.

Alte Weggefährten El Khomris reiben sich die Augen. Die Tochter eines marokkanischen Repro-Druckers und einer Englischlehrerin aus der Bretagne galt bisher als getreue Linke. Vor fünf Jahren warb sie (gegen Hollande) noch für Martine Aubry, jene Sozialistin, die als Arbeitsministerin einst die 35-Stunde-Woche eingeführt hatte. Die junge Frau, die vor 15 Jahren als ehrgeizige Studentin aus der südfranzösischen Provinz in die Hauptstadt zog und sich in Krisenvierteln für Kinder, Obdachlose und Junkies engagierte, muss sich nun eine "Neoliberale" schimpfen lassen. "Sie verleugnet sich", glaubt Félix Beppo, ein Freund und Parteifreund, "sie tut das nur aus Loyalität zum Präsidenten."

Zudem steht El Khomris zweiter Dienstherr, der forsche Premierminister Manuel Valls, im Verdacht, die Reform gegen ihren Willen verschärft zu haben. Dass die Ministerin sich neulich krankmeldete, deuteten Freude prompt als "Beweis für den Widerspruch zwischen ihren Werten und diesem Gesetz." Die Mutter zweier Töchter ließ verlauten, sie habe lediglich zu wenig Schlaf gekriegt, weil ihre Jüngste kränkelte.

Myriam El Khomri macht weiter. "Ich bin nicht naiv", versichert sie. Sie wisse sehr wohl, wofür "mein Gesetz der Katalysator sein" könne - für einen Neuanfang von Frankreichs Sozialisten nämlich; oder für ihr Ende.

© SZ vom 08.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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