Profil:Mustafa Akıncı

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Der Präsident der Zyperntürken will Versöhnung auf der Insel.

Von Christiane Schlötzer

(Foto: Reuters)

Weißes Tischtuch, Blumenschmuck, im Hintergrund die blaue Fahne der Vereinten Nationen. Den Tisch hatte die UN-Sondergesandte für Zypern, Elizabeth Spehar, am Freitag decken lassen für zwei Männer, auf denen viele Hoffnungen ruhen: für Nikos Anastasiadis, Präsident der Republik Zypern, der für die Inselgriechen spricht, und für Mustafa Akıncı, den Präsidenten der Zyperntürken. Seit 45 Jahren ist die Mittelmeerinsel geteilt. Es gab so viele vergebliche Wiedervereinigungsversuche, so viele gescheiterte Gipfeltreffen, verworfene Friedenspläne, dass man sie gar nicht mehr zählen kann. Jetzt sollen es die zwei noch einmal probieren, und man kann sagen: Sie könnten das beste Team sein, das es je gab. Aber das ist leider keine Garantie für einen Erfolg. Es kommt vor allem auf Akıncı an.

Auch wenn beide als Befürworter eines Friedens gelten, ist die Lage Akıncıs doch deutlich schwieriger. Anastasiadis vertritt ein EU-Land, sein Gegenüber aber einen Staat, den es eigentlich gar nicht gibt, denn er wird nur von der Türkei anerkannt. Daraus leitet die Regierung in Ankara einen Mitbestimmungsanspruch im türkischen Inselteil ab, der nach dem alten Grundsatz funktioniert: Wer zahlt, schafft an. Unterstrichen wird dies durch mindestens 30 000 türkische Soldaten, die im Inselnorden stationiert sind.

Mustafa Akıncı ist 71 Jahre alt. Den Ruf eines Versöhners hat er sich schon mit 28 erworben, da wurde er Bürgermeister des türkischen Teils der geteilten Hauptstadt Nikosia. Damals gab es nicht einmal Telefonverbindungen auf die andere Seite, über den Stacheldraht hinweg. Akıncı, ein Architekt, schaffte es, mit seinem griechischen Kollegen die Abwasserkanäle der geteilten Stadt zu einem Netz zu verbinden. Dafür bekamen die beiden internationale Preise. 14 Jahre lang blieb der Sozialdemokrat Bürgermeister. 1999 wurde er Vizepremier, aber schon 2001 wieder aus dem Amt gedrängt. Er hatte kritisiert, dass die Türkei selbst Feuerwehr und Polizei kontrolliere; der Türkischen Republik Nordzypern fehlten damit die Merkmale eines unabhängigen Staates. Von einem türkischen General musste er sich daraufhin sagen lassen, er sei eine Bedrohung für das türkische Zypern.

Akıncı aber gab nicht auf. 2003 gründete er seine eigene politische "Bewegung für Frieden und Demokratie", sie setzt sich für die Wiedervereinigung ein. 2004 schien schon wieder alle Hoffnung dahin. In einer Volksabstimmung lehnten damals drei Viertel der Zyperngriechen einen UN-Vereinigungsplan ab, den zwei Drittel der Inseltürken billigten. Danach nahm die Abhängigkeit des türkischen Nordens von Ankara noch weiter zu, und im Süden feierten sie den EU-Beitritt.

Akıncı blieb unbeirrbar, und 2015 wurde er Präsident, in einer Stichwahl schlug er einen Nationalisten. Sofort bekam er es mit dem starken Mann der Türkei, mit Recep Tayyip Erdoğan, zu tun. Akıncı sagte, die Türkei sollte ein "brüderliches Verhältnis" zu den Zyperntürken entwickeln und sie nicht behandeln wie "eine Mutter ihr Baby". Erdoğan ließ ausrichten: Akıncı solle aufpassen, was er sagt.

Derzeit macht Ankara es ihm wieder nicht leicht. Die Türkei lässt vor Zypern nach Gas suchen. Das machen auch die Zyperngriechen, sie fühlen sich im Recht und wollen darüber mit der anderen Seite nicht einmal reden. Auch die EU sieht den Provokateur in der Türkei. Akıncı versucht aus seiner Sandwich-Position das Beste zu machen. Er hat ein gemeinsames Komitee vorgeschlagen, das sich der komplexen Gasfrage annehmen soll. Die griechische Seite hat sofort abgelehnt.

Akıncı wurde 1947 in Limassol geboren, das liegt heute auf der griechischen Seite der 186 Kilometer langen Demarkationslinie. Er ist mit einer Psychologin verheiratet, die beiden haben drei Töchter und zwei Enkel. Nach dem Treffen am Freitag forderte sein griechischer Gesprächspartner von der Türkei "guten Willen". Akıncı musste er darum nicht bitten. Der hat ihn.

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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