Profil:Mosche Lion

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(Foto: Foto: AP)

Neuer, religiöser Bürgermeister von Jerusalem, weit nach rechts gerückt.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Im zweiten Anlauf hat er es geschafft: Mosche Lion wird Bürgermeister von Jerusalem. Die "heilige Stadt" hat für drei Weltreligionen zentrale Bedeutung und ist einer der Brennpunkte des Nahostkonflikts. Wer die Geschicke dieser Stadt lenkt, dem ist hohe internationale Aufmerksamkeit sicher. Im neuen Amt wird der 57-Jährige nun tun müssen, was er bisher vermieden hat: englisch zu sprechen.

Bedeutend für die weiteren Entwicklungen in Jerusalem ist auch, dass Lion von weit rechts stehenden Parteien und Politikern unterstützt wurde. Er war der Kandidat von Avigdor Lieberman, der seinen Rücktritt als Verteidigungsminister just am Tag von Lions Triumph bekannt gegeben und damit die Koalition in eine Krise gestürzt hat. Unterstützt wurde Lion aber auch von der religiösen Schas-Partei sowie von Teilen der ultraorthodoxen Parteien. Lion, der zu seiner Militärzeit im Rabbiner-Chor gesungen hat, ist seit Jahren als Kantor in verschiedenen Synagogen aktiv. Er stammt aus einer sephardisch-jemenitischen Familie und gilt als exzellenter Kenner der Thora.

Lion steht auch für eine Entwicklung, die viele Israelis in den vergangenen Jahren vollzogen haben: Er ist politisch immer weiter nach rechts gerückt. Ende der Neunzigerjahre war er die absolute Vertrauensperson von Benjamin Netanjahu. Er leitete dessen Büro und war auch sein Wirtschaftsberater. 2013 war er noch im Verhandlungsteam, als der Likud nach den Wahlen eine Koalition schmieden musste. Dann kam der Bruch. Nun hat ihm Netanjahu nicht einmal zum Sieg gratuliert; dessen Kandidat, der für Jerusalem zuständige Minister Ze'ev Elkin, wurde nur Dritter im ersten Wahlgang.

Lions Sieg war allerdings auch nicht glorreich. In der Stichwahl in dieser Woche konnte er sich mit 3765 Stimmen Vorsprung nur knapp gegen den liberalen Ofer Berkovitch durchsetzen. Die beiden standen für die etwa gleich großen Lager der jüdischen Bevölkerung in Jerusalem, dazu kommen noch die palästinensischen Araber in Ostjerusalem, die auch diesmal die Wahl boykottiert hatten.

2013 hatte Lion noch gegen Nir Barkat verloren, der nun nach acht Jahren nicht mehr antrat - und der ihn in der Stichwahl sogar unterstützte. Barkat hatte seinen ehemaligen politischen Konkurrenten zwei Jahre nach dessen Niederlage in seine Koalition aufgenommen und dem ehemaligen Buchhalter die Leitung der Verwaltung anvertraut. Lion war auch für die Gemeinschaftszentren und die Stadtteilräte verantwortlich. Der aus Givatayim stammende Politiker siedelte sich dann mit seiner Frau, mit der er vier Kinder hat, endgültig im gehobenen Jerusalemer Stadtviertel Rechavia an - wo auch die Residenz des Premierministers liegt. Davor leitete er bereits die Jerusalemer Entwicklungsbehörde. Unter seiner Ägide entstanden unter anderem der First-Train-Komplex, eine zu einem Vergnügungszentrum umgebaute ehemalige Bahnstation. Lion leitete außerdem drei Jahre lang als Chef die israelische Eisenbahngesellschaft.

Nach seinem Wahlsieg kündigte der bullige, hemdsärmelig auftretende Lion an, er wolle "Bürgermeister für alle Jerusalemer sein", auch für diejenigen, die ihn nicht gewählt hätten. Lion hatte sich vor der Wahl gegen den Plan des Jerusalem-Ministers und Mitkonkurrenten Elkin positioniert, eine Mauer durch Jerusalem zu ziehen. Dadurch sollten arabische Viertel abgeschottet werden und Jerusalem, das von Palästinensern als die Hauptstadt ihres noch zu gründenden Staates beansprucht wird, "jüdischer" werden. Lion lehnte eine Umsetzung mit der Begründung ab, dass dadurch die Stadt geteilt werde und sich erst recht Terroristen zu Anschlägen ermuntert sehen könnten.

Anders als sein Vorgänger Barkat, der sich als Nachfolger Netanjahus positioniert, will er weniger internationale Events nach Jerusalem bringen, sondern "mehr für die Jerusalemer selbst tun".

© SZ vom 17.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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