Profil:Mon Laferte

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(Foto: Fernanda Rojas / El Universal)

Chilenischer Star mit politischer Sprengkraft.

Von Christoph Gurk

Das Monster wartet schon, wenn die chilenische Sängerin Mon Laferte am Montagabend in Viña del Mar auftritt. Jedes Jahr Ende Februar findet in der chilenischen Hafenstadt das Festival Internacional de la Canción statt, einer der ältesten und größten Musikwettbewerbe Lateinamerikas. Millionen Fernsehzuschauer hat das Spektakel. Dazu kommen die 20 000 Zuschauer in dem extra für das Festival gebauten Amphitheater. Sie sind ein aktiver Teil der Show: Künstler wurden in den vergangenen Jahren immer wieder ausgebuht und von der Bühne gepfiffen. Kritische Transparente, auch gegen die aktuelle Politik, gehören zur festen Tradition. "Das Monster" wurde das Publikum darum bisher von den Chilenen genannt, doch dieses Jahr ist alles anders.

Seit vier Monaten wird Chile von schweren Protesten erschüttert. Sie richten sich gegen Ungleichheit und Repression im Land. Wegen der Unruhen musste die Regierung schon den Weltklimagipfel und ein Treffen der Apec-Staaten absagen. Das Festival von Viña del Mar findet nun statt, aber unter schweren Sicherheitsvorkehrungen. Es gibt Polizeikontrollen und Metalldetektoren am Eingang, regierungsfeindliche Witze auf der Bühne sind unerwünscht, genau wie Transparente im Publikum. Regierung und Veranstalter, so scheint es, wollen das Monster zähmen. Nur kommt ihnen dabei eine Frau in die Quere: Mon Laferte, momentan die erfolgreichste Künstlerin des Landes, ein Star in ganz Lateinamerika - und zudem eine der bekanntesten Kritikerinnen der aktuellen Regierung.

36 Jahre alt ist Laferte und Ungleichheit kennt sie aus eigener Erfahrung. Geboren unter dem bürgerlichen Namen Norma Monserrat Bustamante Laferte ist sie nur ein paar Kilometer entfernt vom Amphitheater in einer Sozialsiedlung aufgewachsen. Das Geld war knapp, erst recht, als der Vater die Familie verließ. Um etwas zur Haushaltskasse beizutragen, begann die junge Mon in Bars zu singen. 2003 nahm sie dann an einer Realityshow teil, ihre Stimme machte sie landesweit berühmt, es folgten ein erstes Album und weitere Auftritte im Fernsehen. Nach ein paar Jahren aber wollte Laferte dem Image des TV-Sternchens entfliehen. Sie schmiss alles hin, zog nach Mexiko-Stadt, trat wieder auf der Straße oder in der U-Bahn auf und erkämpfte sich erneut einen Plattenvertrag. 2014 wurde ein wackeliges Handyvideo ihres Liedes "Tu falta de querer" zum Interneterfolg und Laferte endgültig berühmt. 2018 erschien dann "Norma", ein Album, live und auf Band aufgenommen, eine Ausnahme im durchdigitalisierten Musikbetrieb.

Als vegane, feministische Aktivistin hatte Laferte sich auch in jeder anderen Hinsicht vom Mainstream abgewandt. Als in Chile Mitte Oktober die Massenproteste begannen, flog Laferte sofort von Mexiko nach Hause, um vor den Demonstranten aufzutreten. Öffentlich wandte sie sich gegen die konservative Regierung von Sebastian Piñera und bei der Verleihung der Latin Grammys im November, bei dem sie den Preis für das beste alternative Album gewonnen hatte, löste Laferte einen Skandal aus: Sie erschien mit nackten Oberkörper auf dem roten Teppich, in großen Lettern stand auf ihrer Brust mit Filzstift geschrieben: "In Chile wird gefoltert, vergewaltigt und gemordet". Spätestens jetzt rückte Laferte ins Visier der Politik. Die chilenische Polizei betreibt derzeit eine Untersuchung gegen sie, weil sie die Carabineros der Brandstiftung in U-Bahnen beschuldigt hatte. Bei ihrem Besuch in Viña del Mar soll sie darum nun vor Gericht erscheinen, kurz bevor sie dann am Montagabend die Bühne betreten wird.

Während Regierungskritiker am Wochenende teils gewalttätig gegen das Festival protestierten, blieb es im Amphitheater bisher ruhig. Das könnte sich mit dem Auftritt Lafertes ändern. Denn das Monster mag zwar gezähmt sein, Mon Laferte wird sich aber kaum den Mund verbieten lassen.

© SZ vom 25.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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