Profil:Mohammed bin Salman

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Saudischer Kronprinz, verstrickt in einen Machtkampf.

Von Moritz Baumstieger

(Foto: Reuters)

Ungewöhnliche Dinge geschehen derzeit im Königreich Saudi-Arabien. Manche fallen sofort ins Auge, Bilder von ihnen gehen im Internet viral: In Mekka etwa bleibt der gigantische Innenhof der Al-Haram-Moschee derzeit leer. Dort, wo normalerweise Zehntausende Gläubige das Heiligtum der Kaaba umrunden, glänzt nun der weiße Marmorboden. Vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte des Islams bleiben Gläubige ausgesperrt, die Grenzen des Landes wurden zudem für Pilger geschlossen. Angeordnet hat das Kronprinz Mohammed bin Salman, aus Angst vor dem Coronavirus wird der heilige Ort erst einmal desinfiziert.

Andere Vorgänge, die derzeit auf Befehl des MbS genannten Kronprinzen passieren, werden im Netz ebenso heftig geteilt und diskutiert. Nur Bilder gibt es keine, was in der Natur ihrer Sache liegt: Palastrevolten und -intrigen spielen sich hinter den blickdichten Mauern königlicher Höfe ab. Im Falle Saudi-Arabiens auch hinter den Tüchern der Luxuszelte, in denen manche Prinzen ihre Tage vertändeln - gut abgeschirmt in den Weiten der Wüste.

An einem dieser Beduinencamps sollen am Freitag schwer bewaffnete Spezialeinheiten vorgefahren sein. Sie kappten alle Kommunikationslinien, durchsuchten das Areal, und als sie fertig waren, nahmen sie den Hausherren und dessen jüngeren Bruder mit. Mohammed bin Nayef ist ehemaliger Innenminister des Königreichs und ein enger Freund der US-Regierung und Neffe von König Salman. In Riad verhafteten Palastwachen gleichzeitig einen leiblichen Bruder des Monarchen, Prinz Ahmed bin Abdulaziz al-Saud. Er ist neben Salman der letzte noch lebende Sohn des Staatsgründers, vor allem wegen seiner kritischen Worte zum Jemenkrieg hofften einige Saudis, ihn einmal auf dem Thron zu sehen. Ihm und den anderen Prinzen wird Verrat vorgeworfen, sie sollen einen Putsch geplant haben. Die Behörden in Riad gaben keine Stellungnahme ab, doch Mitglieder der royalen Familie bestätigten der New York Times die Verhaftungen.

Ob die Prinzen tatsächlich planten, eine Thronbesteigung von MbS zu verhindern - darüber kann nur spekuliert werden. König Salman jedenfalls ist 84 Jahre alt und leidet Gerüchten zufolge an Demenz, dennoch soll er die Haftbefehle persönlich unterschrieben haben. Dass dies an internationale Medien durchgestochen wurde, zeigt zumindest, wie groß das Unbehagen mit der aggressiven Politik des Kronprinzen selbst im Herrscherhaus ist.

Auf internationaler Bühne gelang es dem heute 34-Jährigen, sich lange als Reformer zu inszenieren: Er gestattete Frauen das Autofahren, erlaubte die Wiedereröffnung von Kinos und das Abhalten von Popkonzerten. Der Aufbau einer Unterhaltungsindustrie ist Teil seiner "Vision 2030", mit der MbS die Wirtschaft des Landes weniger abhängig vom alles dominierenden Ölgeschäft machen will.

Dass Mohammed bin Salman bereit ist, weit zu gehen, um Macht zu erlangen oder zu sichern, wurde spätestens im Oktober 2018 auch international bekannt. Im Istanbuler Konsulat des Königreichs wurde der Publizist und MbS-Kritiker Jamal Khashoggi ermordet und mit einer Kettensäge zerlegt, die Befehle dazu kamen wohl vom Kronprinzen. In Saudi-Arabien selbst wusste man da bereits um dessen Machthunger: Im Jahr 2017 ließ MbS mehr als 200 Prinzen, Geschäftsmänner und ehemalige Minister in einem Fünf-Sterne-Hotel einsperren und teils misshandeln, bis diese bereit waren, Teile ihres Vermögens an den Staat zu überschreiben. Der offizielle Grund hierfür war der Kampf gegen Korruption, dass so einige potenzielle Rivalen kaltgestellt wurden, dürfte für MbS aber zumindest ein angenehmer Nebeneffekt gewesen sein.

Mit ein paar Hundert Millionen Dollar, wie sie die Geiseln vom Ritz-Carlton-Hotel teils zahlten, werden sich die nun Festgenommenen nicht retten können. Ihnen droht lebenslange Haft - oder sogar die Todesstrafe.

© SZ vom 09.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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