Profil:Mo Shaoping

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Mo Shaoping, Anwalt der Verlorenen und Gesprächspartner Gaucks. (Foto: AFP)

Anwalt der Verlorenen und Gesprächspartner Gaucks in Peking.

Von Kai Strittmatter

Bürgerrechtsanwälte sind eine seltene Spezies in China. Vor allem Bürgerrechtsanwälte, die nicht in einem Gefängnis sitzen. Mo Shaoping ist so einer. Er ist wohl der prominenteste derer, denen es noch erlaubt ist, zu praktizieren. Nun hat Bundespräsident Joachim Gauck am Rande seines Staatsbesuches Mo und einen von dessen Kollegen getroffen. Das ist ein Zeichen: Mo ist Teil eines Berufsstandes, der seit einer Verhaftungswelle im vergangenen Sommer von Chinas Sicherheitsapparat so bedrängt wird wie kaum ein anderer.

Wer immer in Chinas Dissidentenszene einen Namen hat - Mo Shaoping hat sie fast alle verteidigt. Zum Beispiel Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, der 2009 weggesperrt wurde. Oder zuletzt die Journalistin Gao Yu sowie Pu Zhiqiang, selbst ein Star unter Chinas Rechtsanwälten. In China, so lautet ein Spruch unter Pekings Juristen, werden jetzt nämlich schon die Anwälte der Anwälte der Anwälte verhaftet.

Gewonnen hat Mo noch nie einen seiner großen Prozesse. "Auch wenn die Gerichte meine Verteidigung nicht akzeptieren", sagte er einmal, "so wird sie doch von der Geschichte aufgezeichnet." 2003 schon ernannte ihn das amerikanische Magazin Time deswegen zu einem der "Helden Asiens". Mo, so Time, kämpfe für jene, "die schon verloren haben".

Dabei wäre der 1958 in Peking geborene Mo beinahe Offizier geworden: Als 18-Jähriger trat er 1976 - die Kulturrevolution ging gerade zu Ende - in die Volksbefreiungsarmee ein. Als er sich jedoch ein Jahr später an einer Offiziersschule bewarb, lehnte die ihn ab, wegen seines "komplizierten Familienhintergrundes". Mos Großvater väterlicherseits war Großbauer gewesen, der Opa mütterlicherseits ein Philosophieprofessor. Beide hatten die Kulturrevolution nicht überlebt: Der eine war von Rotgardisten zu Tode gefoltert, der andere in den Selbstmord getrieben worden. Mos Eltern, beide Ärzte, waren in dieser Zeit zur Zwangsarbeit aufs Land verschickt worden. Später studierte Mo in Peking Jura.

Rechtsanwalt zu sein, ist wahrscheinlich die undankbarste Aufgabe in einem System, in dem das Recht trotz allen Geredes vom "Rechtsstaat" vor allem eines zu sein hat, nämlich - in den Worten von KP-Chef Xi Jinping - "der Schaft des Messers in den Händen der Partei". Unter Xi hat die Repression zugenommen. Kanzleien wie jene des prominenten Pekinger Anwalts Zhou Shifeng wurden voriges Jahr von der Polizei gestürmt, die Anwälte dort des "organisierten Verbrechens" beschuldigt.

Mo Shaoping schaffte bislang den Drahtseilakt. Er legt Wert darauf, stets strikt juristisch zu argumentieren, anders als manche Kollegen hat er nie politische Essays im Internet veröffentlicht. Was nicht heißt, dass er keine Meinung hätte. "Wenn wir die Reform des politischen Systems nicht bald angehen", sagte er in einem Interview kurz vor Xi Jinpings Machtantritt, "dann wird es wirklich gefährlich für China." Seither aber ist weniger denn je von Reform die Rede.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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